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Beitrag vom 17.01.2011
Ruth Landshoff-Yorck - In den Tiefen der Hölle
Britta Meyer
Der bereits in den fünfziger Jahren geschriebene Kriminalroman über einen geisteskranken Pariser Serienmörder und einen nicht minder gestörten Ermittler ist bis jetzt unveröffentlicht ...
...geblieben. Im AvivA Verlag wurde die Erzählung der in die USA emigrierten jüdischen Autorin nun zum ersten Mal herausgebracht.
Es ist das Paris der fünfziger Jahre, der Krieg und die Besatzung sind zwar vorüber, aber in Atmosphäre und Erinnerung der Stadt immer noch allgegenwärtig. Als in einem der städtischen Parks eine junge Frau mit durchschnittener Kehle gefunden wird, ist sie nur eine Randnotiz der üblichen urbanen Gewalttaten, die niemanden mehr schockieren. Als jedoch eine zweite und dann eine dritte Frau Opfer des Mörders werden, schreit die Presse nach Aufklärung und es muss dann doch gehandelt werden. Dr. Lorme, Leiter der psychiatrischen Abteilung der Pariser Polizei, wird damit beauftragt, ein Profil des Täters zu erstellen.
Der Doktor und seine adelige Gehilfin
Lorme ist ein abgeklärter, seines Berufes überdrüssiger Misantroph, dem die Menschen, deren verletzte Psyche er analysieren soll, nicht egaler sein könnten. Die Psychotherapie als Methode der Heilung und der Hilfe hat er irgendwann während des Krieges als wirkungslose Flickschusterei an irreparabel geschädigtem Leben abgetan. Die einzige Person, die er nicht vollkommen zu durchschauen glaubt, ist seine Assistentin Elianne, eine Gräfin, die zum Spaß arbeitet. Dass diese ihren Job nicht durch Kompetenz, sondern "durch Charme und Verbindungen" bekommen hat, ist eins von zahllosen beiläufigen Details, bei denen sich einer Leserin unserer Zeit die Haare sträuben. Die junge Assistentin richtet ihrem angehimmelten Chef gerne einen Imbiss an und hängt scheu gesenkten Blickes bewundernd an seinen Lippen, wenn er sich über Gesellschaft, Kriminologie und Psychoanalyse auslässt.
Elianne lernt auf einem ihrer Streifzüge durch die zwielichtigeren Gebiete von Paris einen merkwürdigen Clochard kennen. Der hinterlässt mit seiner sinistren Freundlichkeit und seinen seltsam sauberen Händen einen so bleibenden Eindruck bei ihr, dass sie Lorme von ihm berichtet. Der Doktor, der bei seinen Nachforschungen mangels echtem Interesse an dem Fall nicht weiterkommt, beschließt einen Schuss ins Blaue. In der Hoffnung auf Informationen hinterlässt er für den Landstreicher seinen Namen und Adresse am Quai der Seine. Ein verhängnisvoller Fehler und der Anfang von Lormes ganz persönlicher Höllenfahrt...
AVIVA-Fazit: Landshoff-Yorcks abgehobener, mitleidloser Schreibstil lässt den Opfern keine Würde und für die Täter kein Verständnis. Die Figuren handeln ganz innerhalb ihrer von Verachtung, Eigennutz und Nihilismus geprägten Welt, in der gedankenlose Grausamkeit nur eine logische Konsequenz der herrschenden Fressen-oder-gefressen-werden-Mentalität ist. Dies könnte seinen ganz eigenen kühlen Reiz entfalten, doch leider ist ihre Art des Erzählens ebenso ermüdend wie uninteressant. So bleiben selbst die Talfahrten in Lormes verdrehte Psyche farblos und eindimensional. Der Effekt ist, dass den Lesenden die Beweggründe und das Schicksal jeder einzelnen Figur vollkommen gleichgültig bleiben.
Zur Autorin: Ruth Landshoff-Yorck, 1904 als Ruth Levy geboren, war die Nichte des Verlegers Samuel Fischer. Sie schrieb Feuilletons, veröffentlichte 1930 ihren ersten Roman "Die Vielen und der Eine". 1937 floh sie vor den Nazis nach Amerika und begann dort eine zweite literarische Karriere als Ruth L. Yorck. Sie schrieb Romane und Theaterstücke, verfasste Rundfunkbeiträge und kehrte erst Anfang der 1950er Jahre für Kurzbesuche nach Deutschland zurück.
Ruth Landshoff-Yorck
In den Tiefen der Hölle
AvivA Verlag, erschienen im September 2010
Erstausgabe aus dem Nachlass
Hrsg. und mit einem Nachwort von Walter Fähnders
Gebunden, 269 Seiten
ISBN 978-3-932338-44-1
19,50,- Euro
www.aviva-verlag.de