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Beitrag vom 24.11.2010
Barbara Degen - Das Herz schlägt in Ravensbrück. Die Gedenkkultur der Frauen
Claire Horst
Im Konzentrationslager Ravensbrück waren 130.000 Menschen, zum großen Teil Frauen, interniert. Zu ihren Überlebensstrategien gehörte auch das Niederschreiben und künstlerische Verarbeiten des...
... (Ãœber)Erlebten.
Tagebucheintragungen und Briefe, Zeichnungen und Gedichte der Frauen von Ravensbrück hat die Juristin und Mitbegründerin des Feministischen Rechtsinstituts e.V., Barbara Degen, zusammengestellt. Fotos der Inhaftierten tragen zusätzlich dazu bei, dass diese Frauen der Leserin näher rücken, dass sie der Auseinandersetzung mit ihnen nicht ausweichen kann. Für diese Eindringlichkeit ist auch Barbara Degens sehr persönliche Herangehensweise verantwortlich. Gleich zu Anfang erläutert sie ihre Beweggründe zu diesem Buch. "Am Anfang stand die Lust auf Frauengeschichte. Von den Geschichtsbüchern ... oft unsichtbar gemacht, marginal behandelt oder völlig ignoriert, gab es einen Ort in Deutschland, wo Frauen im Mittelpunkt standen, stehen mussten: RAVENSBRÜCK, ca. 80 km nördlich von Berlin."
Degen macht sich auf die Reise zurück zu diesen Frauen, die hier lebten und starben, begibt sich auf die Suche nach ihren Erlebnissen und ihrem Vermächtnis. Diese Parallelstruktur, Degens eigene Texte, die den historischen Kontext herstellen, und die Originaltexte und -bilder der Frauen, bildet auch optisch den Rahmen für das Buch: In den Haupttext sind Gedichte kursiv, Tagebucheinträge und Briefe blau eingeschoben, eine Randspalte enthält Bilder und bibliografische Angaben.
Die Leserin pendelt so beständig zwischen der Perspektive der Nachgeboren und der betroffenen Frauen, kann in deren Erlebnisse eintauchen und sie reflektieren. Die überlieferten Dokumente werden bei Degen zu Zeitzeuginnen. Sie verdeutlichen den Alltag der Frauen im KZ, ihre Ängste und ihre Solidarität untereinander. Dabei dienen die Texte und Bilder als roter Faden, der durch eine umfassende Darstellung führt. Das Buch wird so zu einem Beitrag zur Gedenkkultur der Frauen, die kein Vergessen erlaubt.
In einem ersten Großkapitel stellt Barbara Degen den Alltag im Konzentrationslager dar. Überlebenskampf und Angst, Hunger und Tod durchziehen die hier versammelten Dokumente. Daneben aber scheinen immer wieder persönliche Beziehungen auf, die Erfahrung von Solidarität und Liebe der Frauen untereinander. Auch die Rolle der TäterInnen nimmt Degen durch die Augen der Inhaftierten in den Blick.
Das zweite Großkapitel beschäftigt sich mit der Zeit nach dem Kriegsende. Wie konnte es weitergehen nach den zerstörenden Erfahrungen des Nationalsozialismus? Die überlebenden Frauen beteiligten sich als Zeuginnen an den Prozessen gegen die TäterInnen und regten die Schaffung von Gedenkstätten an. Zugleich blieben sie miteinander in Kontakt, erinnerten an die Ermordeten und bildeten so ein Netzwerk, das den Nationalsozialismus überlebte.
Nicht nur zur eigenen Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse dient also den Frauen das Geschriebene und Gezeichnete. Wie Degen verdeutlicht, haben diese Frauen die Forschung zum KZ Ravensbrück erst ermöglicht. Mithilfe ihrer Aufzeichnungen konnte die Auseinandersetzung mit dem Geschehenen beginnen, konnten TäterInnen verfolgt und die Opfer gewürdigt werden. Degen zeichnet auch nach, wie die Frauen in ihren über 20 Herkunftsländern Einfluss auf den Umgang mit der Vergangenheit nahmen. So haben sie in der DDR und in der BRD Gedenkstätten initiiert und mitgestaltet.
Der Anhang enthält die Kurzbiographien aller erwähnten Frauen, ergänzt durch Fotos. So wird noch einmal deutlich, welches reiche Erbe hier zerstört wurde. Dichterinnen und Malerinnen, Wissenschaftlerinnen und Komponistinnen waren hier ebenso interniert wie "ganz normale" Frauen, von deren Gedanken und Gefühlen wir heute noch beeindruckt sind. Literaturhinweise laden zur weiteren Forschung zu den Frauen ein.
Ihre eigene Auseinandersetzung mit den Schicksalen der Frauen hat Barbara Degen dazu angeregt, "Erzählungen vom Leben und vom Tod" einzelner Frauen zu verfassen. Mit Bildern der lettischen Illustratorin Lilija Diner bieten sie einen poetischen Einblick in exemplarische Einzelschicksale.
Eine weitere hilfreiche Information stellt die "Zeittafel des Schreckens" dar, die den Nationalsozialismus aus weiblicher Sicht tabellarisch darstellt.
AVIVA-Tipp: "Das Herz schlägt in Ravensbrück" versammelt nicht nur informative Dokumente, die in dieser Form noch nicht zusammengetragen worden sind. Es bietet auch einen eindringlichen Zugang zu den einzelnen Frauen, deren Werke Degen zusammengetragen hat. Informativ und aufrüttelnd zugleich, ermöglicht das Buch einen neuen Zugang zu einem viel zu wenig beachteten Kapitel der deutschen Geschichte.
Zur Autorin: Dr. Barbara Degen ist Juristin und Mitbegründerin des Feministischen Rechtsinstituts e.V.
Barbara Degen
Das Herz schlägt in Ravensbrück. Die Gedenkkultur der Frauen
378 Seiten
Verlag Barbara Budrich, erschienen im September 2010
Schriften aus dem Haus der Frauengeschichte
ISBN 978-3-86649-288-2
26,90 Euro
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Die Frauen von Ravensbrück von Loretta Walz