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Beitrag vom 27.10.2010
Manuela Kuck - Freispruch
Judith Czakert
Der neue Roman von Manuela Kuck erzählt eine hochspannende Geschichte über die Last der Schuld, die ein Leben lähmen kann. Verpackt in einen Krimi, gewürzt mit einem Hauch Liebesgeschichte und ...
... durchbrochen von philosophischen Reflexionen über die japanische Kampfkunst Aikido, gerät die Protagonistin Lena Bokken in eine gefährliche Geschichte.
Überzeugt von ihrer Gabe, einer außergewöhnlichen Intuition, verhilft die erfolgreiche Strafverteidigerin Lena Bokken dem schuldigen Nick Panter zum Freispruch. Als sie ihren Fehler erkennt, beginnt für die Strafverteidigerin ein rapider Abstieg in jeglicher Hinsicht. Sie (ver-)zweifelt an sich und der Welt. Die Angst, ihr einmaliges Versagen zu wiederholen, lähmt sie und macht sie unfähig weiter zu funktionieren wie bisher.
Tödliche Nüsse
Lena reagiert mit Rückzug: von der Stadt auf das Land, von einer selbstbewussten Frau zur vorsichtigen Zweiflerin, von einer unfehlbaren Aikido-Kämpferin zu einer, die ihren rechten Weg verloren hat. Ein neues Mandat bedeutet für Lena die Chance, sich beruflich wieder zu etablieren. Hiltrud Baum, eine alte, alleinstehende Frau, ist plötzlich verstorben. Tod durch Allergieschock. Unter Verdacht steht die Nichte der Toten, Karin Weber, vermeintliche Bäckerin und Überbringerin des tödlichen Nusskuchens. Ihre Schuld scheint klar, der Fall einfach. Doch der Schein trügt.
Schuld und Sühne
Lena Bokken zweifelt an der Schuld von Karin Weber und beginnt zu ermitteln. Ein unerwartetes Beziehungsgeflecht enthüllt sich Lena wie ein Puzzlespiel Stück für Stück und konfrontiert sie mit ihrer Vergangenheit. Maren Sommer, eine Freundin der Verstorbenen, erweist sich als treue Gefährtin in großer Gefahr. Ihr gelingt es, Lena aus der Reserve zu locken. Die Nachbarfamilie Krause gerät in den Schwerpunkt der Ermittlungen. Hat der gewalttätige Krause, der seine Frau brutal misshandelt, etwas mit dem Tod von Hiltrud Baum zu tun? Welche Rolle spielt seine Tochter, Opfer der jähzornigen Anfälle ihres Vaters? Was hat Mick Panter – Lenas personifizierte Schuld – mit dem Tod der alten Dame zu tun? Der Krimi schlägt Wellen quer durch Themen wie Betrug, Täuschung, illegaler Drogenhandel, Mord und Totschlag, Verletzungen, Schuld und Sühne, Liebe und die Kraft von Freundschaft und Vertrauen.
Gut und Böse, Schwarz und Weiß – ein Krimimärchen
Die Pole Gut und Böse, Schwarz und Weiß verlaufen in einem Wechsel von Vergangenheit und Gegenwart ineinander und finden sich als Schattierungen in den Charakteren wieder.
Prinzip Schwarz ist Mick Panter, der in Form von Rückblenden Kontur gewinnt. Panter, der selbst Lena mit ihrer untrüglichen Intuition täuschen konnte, ist der Jäger, der zum Gejagten wird, ohne es selbst zu merken. Ein Sadist, dessen Neigung unter der Maske des Gutmenschen verborgen bleibt, sich jedoch im Laufe des Romans immer deutlicher zeigt. Sein Antrieb sind Gier und Rache. Er wird zu einer tödlichen Gefahr für Lena Bokken. Sie ist das Prinzip Weiß, das unter einer falschen Entscheidung zu zerbrechen droht. Doch die Handlung lässt sie reifen an sich und der Vergangenheit bis zum ersehnten Auftrieb im letzten Viertel des Buches: "…sie war im Aufwind, endlich…". Auf den Wind nach oben folgt prompt ein schmerzhafter Sturz, der einen überaus spannenden Showdown einleitet. Fast märchenhaft mutet diese Schlussszene an, in der Lena ihre Vergangenheit auf mehreren Ebenen bewältigt. Ein wahrer Genuss für Alle, die ein Faible für HeldInnen-Figuren haben. Wahrhaft über sich hinaus wächst die zierliche Strafverteidigerin in höchster Gefahr und zeigt, dass körperliche Kraft nicht unbedingt die stärkste Kraft sein muss.
Freispruch mit offenem Ende
Passagen der Erinnerung durchbrechen die Gegenwartserzählung und führen die Strafverteidigerin in ihre zum Teil unverarbeitete Vergangenheit. Kindheitssequenzen werfen Licht auf Lenas außergewöhnliche Intuition, die ihr zugleich Gabe und Bürde ist. Durch den Roman ziehen sich moralische Grundsatzfragen, die nur zum Teil beantwortet werden: Darf eine illegale Tat durch eine andere illegale Tat gesühnt werden? Steht Wahrheit vor Gerechtigkeit oder ist Gerechtigkeit auf Kosten der Wahrheit moralisch zu befürworten? Eine Geschichte, die von Zweifeln erzählt und von einem persönlichen Versagen, das droht, Lenas Leben zu überschatten. Ein Auftrag, menschliche Begegnungen, zarte neue Liebesbande und die Auflösung vergangener Fragen, bringen neues Vertrauen, neuen Lebensmut – den FREISPRUCH für die Protagonistin. Doch es ist kein rosaroter Freispruch, der ein süßliches Alles-ist-gut-Gefühl hinterlässt. Sehr realistisch bleibt am Ende des Romans die Gewissheit, dass die Heldin nur einen Teilerfolg errungen hat. Ihr Kampf mit sich selber und ihren Ansprüchen wird angesichts einer bewegten Vergangenheit und ihrer ausgeprägten Intuitionsgabe wohl lebenslang andauern. Schön, wenn ein Buch noch etwas offen lässt...
AVIVA-Tipp: "Freispruch" ist ein fesselnder Krimi, der von der ersten Seite an in die verwinkelten Geschehnisse hineinzieht und nicht mehr loslässt. Ein passender Schmöker für die graunassen Herbsttage – zum Versinken, zum Verlieben, zum Grübeln, Staunen, Ärgern und Fiebern. LeserInnen können sich auf einige unterhaltsame Lesestunden freuen. Am Ende beginnt eine neue (noch) unerzählte Geschichte.
Vielleicht wird auch sie von Manuela Kuck in Worte gefasst?
Zur Autorin: Manuela Kuck, Jahrgang 1960, ist in Wolfsburg aufgewachsen und lebt heute als Autorin zusammen mit ihrer Lebensgefährtin, zwei Söhnen, drei Hunden, zwei Katern und einem Hamster in Berlin. Neben dem Schreiben begeistert sie sich für Aikido und Laufen. "Freispruch" ist ihr zehnter Roman.
LESUNG mit Manuela Kuck: Die Autorin liest aus ihrem Roman "Freispruch". Am 23. November um 19:30 in der BUCHKÖNIGIN (www.buchkoenigin.de), Hobrechtstraße 65, Berlin/Neukölln.
Manuela Kuck
Freispruch
Verlag Krug & Schadenberg, erschienen 2010
www.krugschadenberg.de
Broschiert, 352 Seiten
ISBN 978-3-930041-72-5
16,90 Euro
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