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Beitrag vom 21.06.2010
Louise de Vilmorin - Julietta
Katharina Liese
Die Schriftstellerin Louise de Vilmorin versetzt die LeserInnen in die Anfänge des letzten Jahrhunderts zurück und beleuchtet dabei die Irrungen und Wirrungen der französischen Adelsgesellschaft...
...der damaligen Zeit.
Die 18-jährige Julietta lernt im gemeinsamen Urlaub mit ihrer verwitweten Mutter, Madame Valendor, den 50-jährigen Hector Prinz von Alpen kennen, der sich auf Anhieb in die junge Schönheit verguckt. Julietta scheint vom Prinzen und auch von dessen gesellschaftlichen Stand angetan. Zunächst glaubt sie durch seine ihr schmeichelnde Aufmerksamkeit an tiefgründige Gefühle.
Erhebliche Zweifel über die vorschnelle Verlobung machen sich jedoch bei dem Mädchen breit, die sie mit ihrer Mutter bespricht. Doch Madame Valendor ist der Meinung, ihre Tochter täte gut daran, ihn zu heiraten. Auf eines der Bedenken Juliettas, dass sie bei einem Kuss mit Hector nichts empfand, weiß die Mutter einen Rat: in der Ehe hat es sich sowieso schnell ausgeküsst.
Louise de Vilmorin lässt den Beschreibungen der diffizilen Liebesverhältnisse stets einen ironischen Unterton mitschwingen und stellt dabei die schönen Damen, die nichts anderes im Sinn haben, als sich reichen und attraktiven Männern hinzugeben, in den Mittelpunkt.
Eine ideenreiche Gesellschaftskomödie
Als Julietta an einem kleinen Bahnhof versäumt rechtzeitig zurück in ihren Zug zu steigen, bleibt sie dort mit einem jungen, attraktiven Anwalt namens André Landrecourt zurück, auf dessen Anwesen sie eine Nacht bleiben kann.
Als Monsieur Landrecourt am nächsten Tag seine Verlobte Rosie Facibeyauf dem Gut empfängt, ist Julietta noch nicht abgereist, worauf André sie auf dem Dachboden unterbringt. Die unreife Julietta lässt sich nur ungern verstecken und verdreht dem Anwalt, in dessen Leben sie sich plötzlich drängt, mit ihrer frischen Art den Kopf.
Das Liebeschaos ist perfekt
Zu allem Überfluss tritt auch noch der Prinz von Alpen, Juliettas Verlobter, in Erscheinung und verwandelt die Dreiecksgeschichte durch seine enge Freundschaft zu Rosie Facibey zu einer Vierecksbeziehung. Alle Beteiligten werden sich durch das Aufeinandertreffen über ihre wahren Gefühle bewusst und spüren, dass die Vorstellungen ihrer Liebe nicht mit ihren tiefen Empfindungen übereinstimmen.
Der altmodische Schreibstil Louise de Vilmorins und die Darstellung der Adligen, die stets die Contenance bewahren, versetzt die Leserin in die Verhältnisse dieser Gesellschaftsschicht zurück und lässt sie am Durcheinander der Gefühle auf äußerst unterhaltsame Weise teilhaben.
Die Protagonistin Julietta zeichnet sich durch ihre naive und unreife Art aus. Louise de Vilmorin selbst stellte genau das Gegenteil des hier entworfenen Frauenbilds dar. Die studierte Literatin war eine emanzipierte Frau, die sich früh von bürgerlichen Konventionen löste und nie das Klischee ihrer hier beschriebenen Frauenrolle bediente. Ihre literarischen Werke sind stark durch ihr aristokratisch-bourgeoises Umfeld der 1930-er bis 1960-er Jahre beeinflusst.
In der Mitte des 20. Jahrhunderts zählten ihre literarischen Salons bei Paris zu den wichtigsten Institutionen des literarischen Milieus. Bedeutende Persönlichkeiten wie Coco Chanel, Maria Callas, Françoise Sagan und Antoine de Saint-Exupéry zählten zu ihren FreundInnen.
Der Roman "Julietta" ist im Jahre 1951 erschienen und wurde in 2009 vom Schweizer Dörlemann Verlag wiederentdeckt und in einer brillanten deutschen Neuübersetzung von Patricia Klobusiczky im Februar 2010 erneut aufgelegt.
AVIVA-Tipp: Was auf den ersten Blick vielleicht überladen und vorhersehbar anmuten mag, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ein kurzweiliges und unterhaltsames Leseerlebnis. Die Schriftstellerin Louise de Vilmorin zeichnet mit viel Ironie und Humor ein Porträt der französischen Adelsgesellschaft des 20. Jahrhunderts.
Zur Autorin: Louise de Vilmorin wurde am 4. April 1902 bei Paris geboren und studierte Literatur. Die Autorin zahlreicher Romane, Gedichtbände und Drehbücher zählt in Frankreich zu den Klassikern der literarischen Moderne. Ihren ersten Roman "Sainte-Unefois" veröffentlichte Vilmorin 1934. Zu ihren berühmtesten Werken zählen "Julietta" und "Madame de...". Letzteres wurde 1953 von Max Ophüls mit Vittorio de Sica, Danielle Darrieux und Charles Boyer verfilmt. Neben ihren Romanen veröffentlichte Vilmorin mehrere Lyrikbände. Zusammen mit Louis Malle schrieb sie das Drehbuch für "Les Amants" mit Jeanne Moreau. Vor kurzem wurde in Frankreich zudem ihr langjähriger Briefwechsel mit Jean Cocteau publiziert.
Vilmorin selbst, die qua Geburt Teil einer privilegierten Gesellschaft war, emanzipierte sich bereits früh als Frau und Künstlerin und führte lange vor 1968 ein Leben jenseits bürgerlicher Ideale. Das Milieu ihrer Herkunft blieb zeitlebens elementares Thema ihrer Prosa.
Louise de Vilmorin
Julietta
Dörlemann Verlag, Zürich 2010, erschienen 24. Februar 2010
Deutsche Ãœbersetzung: Patricia Klobusiczky
284 Seiten, gebunden
Euro 19,90
ISBN: 978-3-908-77753-3