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Beitrag vom 20.05.2010
Christina Haberlik - Regie Frauen
Marie Heidingsfelder
"...denn es wird kämpfen für die Sache des Feindes, wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat." Die Autorin präsentiert vier Generationen von Regisseurinnen und ihren Weg in die Männerdomäne.
Der Wunsch nach Ruhm und Ehre scheint einen zuverlässigen Weg zu kennen: Man kann "zum Film zu gehen". Doch in der Realität gibt es sowohl im Film als auch im Theater nur zwei Möglichkeiten, reich und berühmt zu werden: Als SchauspielerIn oder als RegisseurIn. Besonders im Theater spricht man von der "Zentralgewalt" der SpielleiterInnen, deren Inszenierung unter das UrheberInnenrecht fallen und an deren Prestige sich die öffentliche Aufmerksamkeit misst.
In ihrem Buch und der gleichnamigen Ausstellung in München (noch bis zum 29. August 2010) beschreibt die Münchner Autorin, Publizistin und Theaterwissenschaftlerin den schwierigen Weg, den Frauen im 20. Jahrhundert beschreiten mussten, um in dieser Domäne Fuß zu fassen.
Die mehr als 50 Portraits sind in vier Generationen eingeteilt, die sich vor allem über die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die feministische Motivation und den Umgang mit dem "Frau-sein" in der Inszenierung definieren. Christina Haberlik unterscheidet zwischen den "Pionierinnen", den "Durchsetzerinnen", den "Profiteurinnen" und den gefeierten "Regisseurinnen von (heute und) morgen".
Beeindruckend ist der Aufwand, den die Autorin in diese Chronik gesteckt hat: Wenn man bedenkt, dass fast alle der 50 Portraits auf persönlichen Gesprächen beruhen und dass sie parallel die Ausstellung im Deutschen Theatermuseum kuratiert, dann spürt man ihre Motivation, dieses Projekt zu verfolgen. Die entstandenen Portraits geben einen sehr persönlichen Blick auf das Leben und Wirken der vorgestellten Regisseurinnen - Christina Haberlik mag die Frauen, mit denen sie spricht und lässt ihnen viel Raum für lange Zitate, ohne dabei den roten Faden zu verlieren: "Wie steinig war der Weg? Wie bewusst ist bist du ihn als Frau gegangen? Und wie hältst du es mit der Macht und Autorität, die deiner Position inne ist?"
Frauen wie Brigitte Soubeyran, Anne Bogart, Katharina Thalbach, Doris Dörrie, Friederike Heller, Katharina Wagner oder Jette Steckel und viele weitere sprechen offen über ihren Weg zur Regisseurin, über Erfolge und Schwierigkeiten, über Feminismus und über die Frage, wie sie sich von männlichen Kollegen unterscheiden oder bewusst abgrenzen.
Auch in der Umsetzung ist "Regie Frauen" vor allem ein gut konstruiertes und schön gestalteter Katalog. Christina Haberlik führt ihre LeserInnen mit einem Vorwort, einem historischen Exkurs und einem Nachwort souverän durch die Thematik und gibt außerdem eine kurze Einführung in jede der vier Generationen. Wem Zeit und Lust für alle 208 Seiten fehlt, kann aber auch viel Spaß am einfachen Durchblättern haben: Fotos und hervorgehobene Zitate brechen den Text und öffnen ihn so immer wieder für ein kurzes Einlesen.
"Regie Frauen" präsentiert sich als schönes, rundes Buch, dessen in sich Geschlossenheit allerdings auch eine Falle ist. So fällt unter den "Pionierinnen" die bedeutende Leontine Sagan ohne dass es auffällt, unter den Tisch.
Darüber hinaus kann man ihr sehr moralisch geratenes Fazit, in dem sie vor einem "Backlash" in die Zeiten vor der Emanzipierung warnt, diskutieren - zumal sie gleichzeitig an die Regisseurinnen appelliert, Frauen zu bleiben und ihre Weiblichkeit der "Arbeitsmaschinen-Mentalität der Männer entgegen zu setzen.
Es bleibt die Frage, ob eine derart traditionelle Sicht auf weibliche Soft Skills und männliche Machtansprüche der Gleichstellung in der Regie zuträglich ist.
AVIVA-Tipp: Trotz der Kritik ist "Regie Frauen" ein gelungener Katalog für alle, die die Ausstellung in München nicht besuchen können. Die Portraits der mehr als 50 interessanten, starken und selbstständigen Frauen machen nicht nur Spaß beim Blättern, Lesen und Fotos anschauen, vielmehr inspirieren sie auch. Das persönliche Statement der Autorin kann als positiver Diskussions-Anreiz aufgegriffen werden.
Zur Autorin: Christina Haberlik wurde in Lorch in Baden-Württemberg geboren und hat in München und Berlin Theaterwissenschaften und Publizistik studiert. In beiden Städten lebt und arbeitet sie als Autorin, Filmemacherin und Journalistin. Vor ihren "Regie Frauen" kuratierte sie bereits mehrere Ausstellungen im Deutschen Theatermuseum.
Christina Haberlik
Regie Frauen
Henschel Verlag, erschienen März 2010
Kartoniert/broschiert, 208 Seiten
ISBN-13: 978-3-89487-663-0
26,90 Euro
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