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Beitrag vom 04.11.2009
ZZ Packer - Kaffee trinken anderswo
Claire Horst
Dass diese Autorin einen Schreibworkshop besucht hat, merkt frau ihren klassischen Short Storys sofort an. In der Tradition von AutorInnen wie Alice Walker, James Baldwin und Toni Morrison ...
... erzählt sie Geschichten aus dem alltäglichen und oft tristen Leben afroamerikanischer Durchschnittsmenschen.
Ihre Figuren leben in schwarzen Vororten großer Städte im Süden der USA oder verlassen ihre Heimat, um in den Metropolen ihr Glück zu versuchen. Glücklich wird niemand von ihnen. Es scheint, als sei es den Figuren der jungen Schriftstellerin unmöglich, irgendwo anzukommen und mit sich selbst und ihrer Umgebung Frieden zu schließen. Voller Wut die einen, gehemmt und unfähig zum Selbstschutz die anderen, sind Packers Gestalten scheiternde Kreaturen, denen die eigene Persönlichkeit ebenso im Weg steht wie die verständnislose Umgebung.
Dina, die Protagonistin der Titelgeschichte, war immer eine Vorzeigeschülerin. Sie ist von Baltimore nach Connecticut gezogen, um ein Studium in Yale zu beginnen. Gegen den Paternalismus der zumeist weißen StudentInnen, die mit "Ich-bin-total-solidarisch-Stimme" von oben herab zu ihr sprechen, wehrt sie sich auf ihre Art: "Plötzlich war ich abgebrüht und aufsässig, ein Kind von der Sorte, das Spaß daran hatte, Katzen mit Nadeln zu stechen, die Sorte, die smarten Kids auflauerte, um ihnen Pfefferspray ins Gesicht zu sprühen."
Dinas Handeln, ihre Einsamkeit und Frustration schildert Packer packend und mit einer gewissen Ironie. Wie in einer klassischen Tragödie scheint das traurige Ende der Geschichte unausweichlich - denn wie Dina ahnt auch die Leserin schon bald voraus, dass ihre Zukunftspläne nicht aufgehen werden. Zu wenig ist sie bereit, sich an die Erwartungen der Umwelt anzupassen. Als schwarze Studentin kann sie sich entweder der Gruppe schwarzer StipendiatInnen anschließen oder die brave, dankbare Südstaatlerin mimen. Stattdessen schließt sie Freundschaft mit einer übergewichtigen weißen Lesbe, die ebenso allein ist wie sie selbst.
Dinas zwanghafter Selbstschutz, ihr Unvermögen, sich für andere Menschen zu öffnen, führt zum Scheitern dieser Freundschaft. Statt ihre Freundin zur Beerdigung derer Mutter zu begleiten, bricht sie das Studium ab und kehrt zurück in ihre Vorstadt von Baltimore. Es scheint kein Ausweg aus ihrem vorgezeichneten Schicksal möglich: "Ein Tag verging wie der andere: Ich las, rauchte draußen vor der Tür und studierte die Reihe von Friseursalons auf der anderen Straßenseite, in denen Mädchen in abgeschnittenen Jeans und Tanktops verschwanden, um Stunden später mit blitzenden neongellen Nägeln und Hairstyles in der Farbe und dem Glanz von Lackleder wieder herauszukommen."
Von einem anderen Leben kann sie nur träumen: "Ich würde sie [ihre Freundin] zu irgendeiner unbestimmten Zeit in der Zukunft besuchen – bewusst unbestimmt, für Menschen wie mich, die vergangene Ereignisse entsprechend ihren Wünschen nachjustieren. In dieser Zukunft hat man immer die Chance, die Einkaufstüte aufzufangen, bevor sie auf den Boden knallt, die eigenen Worte können immer zurückgespult und gelöscht, umgeschrieben und redigiert werden."
Wie Dina leben alle ProtagonistInnen der Short Storys in einer Welt, an der sie leiden. Mit bewundernswertem Einfühlungsvermögen und sprachlicher Feinheit gestaltet die junge Autorin die unterschiedlichen Charaktere ihrer Figuren. Die alternde Angehörige einer PfingstlerInnengemeinde, die mit missionarischem Eifer ihre frohe Botschaft verbreitet und am Desinteresse ihrer Mitmenschen scheitert, der angepasste Schüler, der erfolglos versucht, sich gegen seinen trinkenden Vater zu behaupten, die von zu Hause ausgerissene Jugendliche – alle sprechen sie eine eigene Sprache und gehorchen sie einer eigenen Weltsicht. Gemeinsam ist ihnen eine grundlegende Traurigkeit und das Gefühl, einer benachteiligten Minderheit anzuhören.
AVIVA-Tipp: Mit ihren Kurzgeschichten hat ZZ Packer bereits mehrere Preise gewonnen. Dabei wird häufig besonders ihr Sprachgefühl hervorgehoben. Tatsächlich bleiben viele ihrer Sätze lange im Gedächtnis haften, so treffend sind sie. Streckenweise wirken Packers Metaphern allerdings etwas gewollt, fast gedrechselt – auch das ist vielleicht ein Ergebnis des Schreibworkshops, den sie besucht hat. Glücklicherweise greift sie immer wieder zu humorvollen und ironischen Wendungen, sodass die Tristesse der Handlung nicht überhand nimmt.
Zur Autorin: ZZ Packer, geboren 1973 in Chicago, wuchs in Atlanta/Georgia und Louisville/Kentucky auf. Sie studierte an der Yale University und besuchte den Iowa Writers` Workshop der University of Iowa. Ihre Short Storys und Artikel erschienen im New Yorker, Harper`s und in der New York Times. Der Erzählband "Kaffee trinken anderswo" war Finalist des PEN/Faulkner Awards. 2007 wurde ZZ Packer in die Liste der "20 Best of Young American Novelists" des renommierten Literaturmagazins Granta aufgenommen. Sie lebt mit ihrer Familie in Pacifica/Kalifornien. (Verlagsinformationen)
ZZ Packer
Kaffee trinken anderswo. Stories
Aus dem Amerikanischen von Giovanni und Ditte Bandini
A1 Verlag, erschienen Herbst 2009
280 Seiten, gebunden
19,80 Euro
ISBN 978-3-940666-09-3
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