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Beitrag vom 07.07.2009
Salomea Genin - Ich folgte den falschen Göttern - Eine australische Jüdin in der DDR
Ayala Goldmann
"Sie brach mit der Stasi und wollte sich das Leben nehmen" – so dramatisch kündigt der Klappentext das neue Buch von Salomea Genin an. Die Geschichte der Stasi-Mitarbeiterin, die zu ihren jüdischen
... Wurzeln zurückfand, erzählt die 77-jährige Salomea Genin darin auf fast 400 Seiten: Ein Zeitzeuginnenbericht mit starkem Hang zum Detail.
Schreiben als Bewältigungsstrategie?
Schon immer war Schreiben für Salomea Genin eine Möglichkeit, ihr Leben neu zu interpretieren. In ihrem ersten Buch "Scheindl und Salomea" erzählte sie von der Geschichte ihrer Familie in Lemberg und ihrer Kindheit im Berlin der Nazis. In dem neuen Buch "Ich folgte den falschen Göttern" geht es um Genin als Erwachsene und die Frage, warum eine Idealistin zum Stasi-Spitzel wurde. Eigene Liebesaffären und Abrechungen mit anderen offiziellen und inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi bleiben dabei nicht ausgespart.
Jüdischer Selbsthass auf sozialistisch
Im Mai 1989 hatte Salomea Genin großes Aufsehen erregt - eine Jüdin und ehemalige Mitarbeiterin des Ministeriums für Staatssicherheit begründete in einem Offenen Brief an bundesdeutsche Medien ihren Austritt aus der SED. In ihrem Buch vollzieht Salomea Genin ihren Wandel von der überzeugten Jungkommunistin, die aus Australien in die DDR eingewandert war, zur Kritikerin des realen Sozialismus noch einmal nach. Warum trug sie als Jüdin die anti-israelische Haltung der DDR mit? Wie konnte sie jahrzehntelang die jüdische Tradition verleugnen und gleichzeitig die materiellen Vorteile einer Verfolgten des NS-Regimes genießen? Genin geht mit sich selbst hart ins Gericht und berichtet relativ offen über ihre Arbeit als Stasi-Spitzel, von vorgetäuschten Freundschaften und Denunziationen des eigenen Lebenspartners bei Parteigremien - und von der Flucht ihres eigenen Sohnes nach West-Berlin.
Zu persönlich
Im Nachwort dankt Salomea Genin ihrem Lektor, der aus ihrem Manuskript ein lesbares Buch gemacht habe. Doch der interessierten Leser/In hätten statt 400 Seiten auch 200 locker gereicht. Teilweise erinnert der Stil an das Tagebuch einer Jugendlichen, die durch das Schreiben ihr Leben uminterpretiert. Genins andauerndes Bedürfnis, sich selbst psychoanalytisch zu durchleuchten und Gründe für ihr Verhalten zu finden, ermüden zunehmend. Auch die Schilderung von Problemen beim Einführen des ersten Tampons und anderer pikanter Details wären verzichtbar gewesen. Persönliche Abrechnungen mit anderen ehemaligen Stasi-Mitarbeiter/Innen in der Jüdischen Gemeinde des früheren Ost-Berlin klingen eher nach Klatsch und Tratsch als nach historischer Aufarbeitung.
Zur Autorin: Salomea Genin wurde 1932 in Berlin geboren. 1939 floh sie mit ihrer jüdischen Familie nach Australien. Dort wurde sie Mitglied der Kommunistischen Partei. In den 50er Jahren arbeitete Genin in West-Berlin für die DDR-Staatssicherheit. 1963 siedelte sie nach Ost-Berlin über. Fast 20 Jahre später beendete sie ihre Arbeit für die Stasi. Im Mai 1989 trat sie aus der SED aus. Weitere Infos und Kontakt: www.salomea-genin.de
AVIVA-Tipp: Salomea Genins Buch "Ich folgte den falschen Göttern" ist ein interessanter Zeitzeuginnenbericht über die Erfahrungen einer Jüdin in der DDR und das Innenleben einer Inoffiziellen Mitarbeiterin der Staatssicherheit. Allerdings machen stilistische Schwächen, Überlängen und das ständige Verlangen, sich selbst nicht nur als Täterin, sondern auch als Opfer zu beschreiben, das Lesen zu einer Angelegenheit, die auch mit Ärger verbunden ist – auch wenn man Genin durchaus abnimmt, dass sexuelle Gewalt in der Kindheit und die Verfolgung als jüdisches Mädchen in Nazi-Deutschland bei ihr seelische Narben hinterlassen haben.
Salomea Genin
Ich folgte den falschen Göttern: Eine australische Jüdin in der DDR
Verlag Berlin-Brandenburg, erschienen März 2009
Broschiert: 400 Seiten
ISBN-10: 3866502117, ISBN-13: 978-3866502116
19,90 Euro