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Beitrag vom 12.09.2014
Dr. Alyosxa Tudor – from [al´manja] with love: Trans_feministische Positionierungen zu Rassismus und Migratismus
Daniélle Aderhold
Mit der Situation in Deutschland kritisch ins Gericht gehend, erarbeitet die Autorin Verbindungen zwischen feministischen Theorien, sowie den Problemfeldern Kolonialismus, Rassismus und ...
... Migratismus sowie Ansätze zu ihrer Verbesserung.
Wie entstehen Privilegierungen? Sind Rassismus und Migratismus, also die Zuschreibung angeblich "nicht-deutscher" Eigenschaften, wie Name oder Aussehen, gleichzusetzen? Wie wird Diaspora konzeptualisiert? Und welche Bedeutungen kann der Begriff "home" haben?
Diese und weitere Fragen beantwortet Dr. Alyosxa Tudor in ihrem im September 2014 erschienen Buch "from [al´manja] with love: Trans_feministische Positionierungen zu Rassismus und Migratismus". Der Band erscheint als sechster in der Reihe "transdisziplinäre genderstudien" des Verlags Brandes & Apsel.
Bereits im Titel wird deutlich, dass Tudor sich in ihrer Betrachtung auf die Situation in Deutschland konzentriert. Sie selbst meint im Vorwort dazu: "Es [die Bezeichnung al´manja] verändert Verständnisse dessen, was ´Deutschland´ ist, es ist ein postmigrantisches W_Ort für ´Deutschland´, eine perspektivische Benennung, ein kontextualisierter Ort, ein deutsches Wort für ´Deutschland´." Dieser Schwerpunkt hält sie jedoch nicht davon ab, auch globale und vor allem europäische Dimensionen sowohl in ihre Problemsuche als auch in die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten mit einzubeziehen.
Die Konstruktion Deutschlands und Europas
Bei der Formulierung ihrer komplexen Theorien sind Tudors Hauptanliegen vor allem die kritische Differenzierung von Rassismus und Migratismus sowie die Analyse von sexistischen Prämissen. Die dabei von ihr angewandte Gendertheorie beruht auf der Feststellung, dass eine Unterscheidung zwischen biologischen und soziokulturellen Geschlechtern getroffen werden muss, da letztere erst durch gesellschaftliche Beeinflussung geformt werden.
Nachvollziehbar stellt sie dar, wie es zur Herausbildung der Vorstellung von einem angeblich abgeschlossenen und fest definierbaren Kulturraum Europa beziehungsweise Deutschland kam, und welche Auswirkungen dieses Konzept noch heute auf die dort lebenden und sich bewegenden Menschen hat. Dabei werden der Begriff "Zuhause" und nationale Zugehörigkeit zu Konstrukten, die unter anderen dazu instrumentalisiert werden, die vermeintlich Anderen auszuschließen und mit ihren angeblichen Ursprungsländern in Verbindung zu bringen.
Es wird deutlich, welche zentrale Rolle Sprache bei der Bildung solcher Vorstellungen von geopolitischen Räumen einnimmt, wie sie unsere Wahrnehmung beeinflusst und im Umkehrschluss durch diese verändert wird. Tudor greift für ihre Untersuchung von sozialen Positionierungen, Gendervorstellungen und -einordnungen sowie der Entstehung von hegemonialen Machtverhältnissen auf dekonstruktivistische Ansätze zurück. Die Aufrechterhaltung von Machtverhältnissen sieht sie besonders in der (teils unbewussten) Rekapitulation bestehender sexistischer, rassistischer und fremdenfeindlicher Stereotype begründet. Tudor zufolge können diese nur durch ständige Selbstreflexion, sowie das kritische Hinterfragen der vorherrschenden Strukturen abgebaut werden. Sie ist sich jedoch dessen bewusst, dass eine solche Arbeit nie vollständig abgeschlossenen werden kann.
Kolonialdenken – auch heute noch vorhanden
Weiterhin zentral ist die kritische Betrachtung und Analyse des Kolonialismus. Die verbreitete Annahme, dieser sei bereits überwunden, hält sie für falsch und konfliktträchtig. Auch in Zeiten des Postkolonialismus seien "weiße" Privilegierungen und Positionierungen, die in der Kolonialzeit ihren Anfang nahmen, nicht überwunden. Im Gegenteil würden sie heute wieder reproduziert. Beispielsweise komme es vor, dass Deutsche mit dunkler Hautfarbe diskriminiert und unreflektiert mit dem Kontinent Afrika in Verbindung gebracht würden. Unter solchen Vorurteilen hingegen haben weiße AusländerInnen nicht zu leiden, so die Autorin. Die Begrifflichkeiten "Weiß" und "Schwarz" sind in Tudors Konzept mehr als nur die Beschreibung von Hautfarben, es sind asymmetrische Konzepte festgelegter Attribute und Positionen, die tief in unserer Kultur verankert sind, so zum Beispiel die Aufteilung in gut (weiß) und böse (schwarz).
Als Fazit und Ausblick ihrer Darstellungen fordert Tudor einen Paradigmenwechsel sowohl in der Forschung als auch innerhalb des Aktivismus gegen Migratismus und Rassismus. Die häufige automatisierte Gleichsetzung beider Begriffe hält sie für äußerst fragwürdig. Diese müssten immer im Verhältnis zueinander betrachtet und die geschichtlichen Hintergründe genauer untersucht werden. Dafür ist ein postkolonialer Rahmen, der um die Thematik der Migration geschaffen wird, für sie zwingend notwendig.
AVIVA-Tipp: "from [al´manja] with love" ist spannend und radikal. Der Autorin gelingt es, komplexe transnationale und trans/feministische Problematiken miteinander zu verbinden. Ihre LeserInnen fordert sie dazu auf, gewohnte Betrachtungsweisen zu überdenken, wenn nötig aufzugeben und neue Standpunkte einzunehmen.
Zur Autorin: Dr. Alyosxa Tudorwar von 2008 bis 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für transdisziplinäre Gender Studies an der Humboldt Universität zu Berlin. Sie ist Co-Autorin des Buchs "Feminismus schreiben lernen". Von 2013 bis 2014 war sie Gastprofessorin am Center of Gender Excellence an der Linköping Universität in Schweden. An der School of Oriental and African Studies (SOAS) der Universität London lehrt Tudor seit 2014 Gender Studies.
Dr. Alyosxa Tudor
from [al´manja] with love: Trans/feministische Positionierungen zu Rassismus und Migratismus
Brandes & Apsel, 1. Auflage erschien 2014
Broschiert, 336 Seiten
ISBN 978-3-95558-061-2
29,90 Euro
www.brandes-apsel-verlag.de
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