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Beitrag vom 08.11.2013
Karla Bilang - Frauen im STURM. Künstlerinnen der Moderne
Julia Lorenz
"Der Blaue Reiter" war nicht allein zu Ross: "Der Sturm", Herwarth Waldens legendäre Zeitschrift und publizistische Heimat der Berliner Avantgarde, stand von Beginn an unter starkem weiblichen...
... Einfluss. Kunsthistorikerin Karla Bilang versammelt nun die Biographien der prägendsten Vertreterinnen der "Sturm-Gruppe" in einem Band.
Keine geringere als Else Lasker-Schüler, Grande Dame der Berliner Kaffeehäuser und damalige Ehefrau des jüdischen Verlegers Georg Lewin, erfand den Namen, der Programm werden sollte: "Der Sturm", erstmals 1910 publiziert als "Wochenschrift für Kultur und Kunst", fegte durch die Literatur- und Kunstszene des frühen Zwanzigsten Jahrhunderts wie kaum ein anderes Journal. Während "Der Sturm" zum Sprachrohr der Avantgarde avancierte und KünstlerInnen verschiedenster Strömungen der Moderne vernetzte, wurde ihr Verleger Georg Lewin zu Herwarth Walden: Das Pseudonym, ebenfalls eine Erfindung Lasker-Schülers, sollte Lewin fortan während seiner Laufbahn als stilbildender Förderer der Moderne begleiten.
Zwei Jahre nach der Gründung der Zeitschrift eröffnete Walden die "Sturm-Galerie" in der Tiergartenstraße, 1913 lud er - nach dem Vorbild des französischen Salon d´Automne - zum "Ersten Deutschen Herbstsalon" nach Berlin. Paul Klee, Marc Chagall und August Macke sind nur einige der Namen, die die Bedeutung der Ausstellung für Stilrichtungen jenseits des etablierten Impressionismus zementierten - und noch bis heute das Bild einer männlich dominierten Avantgarde prägen.
War die klassische Moderne eine männliche Erfindung, wie ein Blick in die Kunstgeschichtsschreibung glauben macht?, fragt deshalb Autorin Karla Bilang. Die Antwort gibt sie selbst mit ihrem Werk "Frauen im ‚STURM´", das mit der populären Fehleinschätzung abrechnet, die weibliche Teilhabe am Geschehen in der bildenden Kunst-, Theater- und Literaturszene habe erst mit den Kulturrebellinnen der 1920er Jahren begonnen: Bilang stellt über dreißig Künstlerinnen vor, die im Umfeld der "Sturm-Gruppe" agierten. Von Gabriele Münter, eine der wenigen Frauen im Kollektiv "Der Blaue Reiter", über Bauhaus-Vertreterinnen wie Magda Langenstraß-Uhlig bis hin zur Maskentänzerin Lavinia Schulz zeichnet "Frauen im ´STURM´" das Bild einer zu Unrecht vergessenen Frauengeneration der Moderne. Das Repertoire der Portraitierten reicht von Grafik und Malerei, Skulptur- und Bühnenkunst hin zu Essayistik, das Einzugsgebiet der weiblichen Avantgarde von Russland über Frankreich und Schweden bis nach New York.
Doch nicht nur das Vermächtnis, sondern auch die Erschwernisse für die Künstlerinnen in den janusköpfigen Anfangsdekaden des Zwanzigsten Jahrhunderts stehen dabei im Fokus: Bürgerliche Rollenzuschreibungen und Abhängigkeitsverhältnisse machten auch vor den Türen der Cafés und Salons keinen Halt. So fand sich die begabte expressionistische Bildhauerin Gela Forster nach ihrer Hochzeit mit Alexander Archipenko in der Rolle der Muse wieder und vernachlässigte ihr eigenes Schaffen, nicht selten fürchteten Männer - wie im Fall des Kubisten Louis Marcoussis - den Erfolg der Frauen.
Eben jene Frauen gilt es nun, als Vertreterinnen der Avantgarde im Wortsinn zu entdecken: Im Militärjargon bezeichnete "Avantgarde" einst die "Vorhut", jenen Teil der Truppe, der den ersten Schritt tut - und somit auch die ersten, oft verlustreichsten Kämpfe austrägt.
AVIVA-Tipp: "Frauen im STURM" füllt eine Leerstelle: Ja, auch ein Jahrzehnt, bevor sich die "Neue Frau" in der Weimarer Republik zu Wort meldete, wurden weibliche Stimmen im Berliner Kulturbetrieb laut. Karla Bilangs Kurzbiographien sowie zahlreiche Abbildungen und Zeitdokumente entwerfen ein Bild der klassischen Moderne, das dem Kandinsky-verliebten Mainstream virtuose Talente und beeindruckende Lebensgeschichten entgegenzusetzen hat.
Zur Autorin: Karla Bilang, geboren 1945 auf Usedom, ist promovierte Kunsthistorikerin und seit 1976 freiberufliche Kunstwissenschaftlerin, Honorardozentin und Kuratorin. Darüber hinaus publizierte sie als Autorin bereits zahlreiche Werke zur klassischen Moderne, darunter "Wassily Kandinsky, Gabriele Münter und Herwarth Walden: Briefe und Schriften 1912 – 1914", erschienen 2012 bei Benteli.
Karla Bilang
Frauen im "STURM". Künstlerinnen der Moderne
AvivA Verlag, Berlin, erschienen im September 2013
220 Seiten, Hardcover
19,90 Euro
ISBN 978-3932338571
Weitere Infos unter www.aviva-verlag.de
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