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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 14.10.2013


Gail Jones - Ein Samstag in Sydney
Clarissa Lempp

Die australische Autorin Gail Jones führt in die inneren Monologe ihrer vier ProtagonistInnen, die einen Samstag am Hafen von Sydney verbringen. Ein rührendes Geflecht von menschlichen Sehnsüchten.




Gail Jones hat eine besondere Gabe, die sie ihren ProtagonistInnen mitgibt. Sie klären durch den Blick in die Vergangenheit die Gegenwart. Eine weitere Gemeinsamkeit, die sich Jones´ Roman Figuren teilen, ist der Riss in ihren Biografien, der nicht nur ihre Geister in Bewegung hält, sondern auch sich selbst. Sie reisen von Kontinent zu Kontinent, von Leben zu Leben und zwischen Gegenwart und Vergangenheit. In "Ein Samstag in Sydney" konzentriert die australische Autorin all dies auf einen Nachmittag, an einem Ort – am Pier von Sydney. Vier Menschen schlendern hier über die Kaimauern, betrachten verwundert das Opernhaus und hinterfragen die eigenen Wege, die teilweise miteinander verschlungen sind.

Ellie und James, die als Teenager ihrer erste Beziehung gemeinsam erlebt haben, werden sich nach 20 Jahren wiedersehen. Zeit, die Schäden und Wunden hinterlassen hat. So treten sich zwei Erwachsene gegenüber, die ihre Erwartungen an das Leben jetzt auf die durchdringende Erfahrung ihrer Jugend setzen. Pei Xing ist eine 60-jährige Frau, die aus China nach Australien flüchtete, nachdem sie während der Chinesischen Revolution inhaftiert und gefoltert wurde. Jetzt besucht sie in Sydney die Frau, die sie als Gefängnisinsassin misshandelte. Pei Xings Weg soll sich an diesem Samstag mit dem der irischen Touristin Catherine kreuzen, die auf ihrer Reise den Tod ihres Bruders verarbeiten will.

Die Romane von Gail Jones besitzen einen fast magischen Umgang mit Zeit und Raum. Sie webt nicht einfach ihre Geschichte in das historische Geschehen, sondern versetzt ihre ProtagonistInnen in den Zustand der Erinnerung, der es möglich macht, das Gewesene zu beschreiben. In "Sechzig Lichter" griff sie dazu auf die Geschichte der Fotografie und die Sprache von Bildern zurück. In "Ein Samstag in Sydney", ihrem nunmehr vierten Roman, der ins Deutsche übersetzt wurde, legt sie ihre literarischen Wurzeln offen. Neben dem Originaltitel "Five Bells", der dem australischen Dichter Kenneth Slessor und den Anspielungen auf Doktor Schiwago entlehnt wurde, fühlen sich aufmerksame LeserInnen vor allem an Virginia Woolf erinnert. Wie Woolf gelingt auch Jones die Zusammenführung der unterschiedlichen Charaktere, in der Erzählung von sich kreuzenden Leben in einer geschäftigen Stadt, im Laufe eines einzigen Tages.

Zur Autorin: Gail Jones wurde 1955 in Westaustralien geboren. Heute lebt und arbeitet sie in Sydney. Ihre Bücher sind im englischsprachigen Original mehrfach ausgezeichnet. Ihr zweiter Roman "Sixty Lights" erschien 2004 und war für den Booker Prize nominiert. "Perdita" stand 2008 auf der Shortlist des Miles Franklin Award und auf der Longlist des Orange Prize.

AVIVA-Tipp: Während des letzten Jahrzehnts hat sich Gail Jones zu einer wichtigen Präsenz in der zeitgenössischen Literatur gemausert. Tiefsinnig, intelligent und poetisch verschaffen ihre Romane Einblicke in die Gegenwarts- und Zeitgeschichte und öffnen gleichzeitig die Gefühlswelt ihrer Figuren, erzählen von persönlichen Geschichten wie Verlust, Erinnerung und Transformationen. "Ein Samstag in Sydney" erforscht in eben dieser wunderbaren Form die Zeit und unsere Art und Weise, uns darin zu bewegen.

Gail Jones
Ein Samstag in Sydney

Originaltitel: Five Bells
Übersetzung von Conny Lösch
Verlag Edition Nautilus, erschienen 2013
Gebundene Ausgabe, 256 Seiten
ISBN-10: 3894017783
ISBN-13: 978-3894017781

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Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

"Perdita" von Gail Jones

"Sechzig Lichter" von Gail Jones

"Der Traum vom Sprechen" von Gail Jones




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Beitrag vom 14.10.2013

Clarissa Lempp