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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 14.06.2013


Evelin Förster – Die Frau im Dunkeln. Autorinnen und Komponistinnen des Kabaretts und der Unterhaltung von 1901 bis 1935
Claire Horst

Schon im Jahr 2009 brachte sie eine Text-Musik-Collage auf CD heraus, die sich den Künstlerinnen des frühen 20. Jahrhunderts widmete. Neben vielen bekannten Frauen war die Sängerin bei ihren…




… Recherchen auch auf Namen gestoßen, die heute vollkommen vergessen sind – eben "Frauen im Dunkeln".

Sängerinnen und Schauspielerinnen der 1920er oder 1930 Jahre scheinen im Rückblick keine Seltenheit – aber gab es damals überhaupt schon erfolgreiche Schriftstellerinnen? Wer sich auf die gängigen Lexika verlässt, könnte meinen, dass Frauen in der Kunst ausschließlich als dort vertreten gewesen seien, wo sie angesehen werden konnten. Dabei waren sie ebenso als Textautorinnen und Komponistinnen tätig – insbesondere in Berlin, in der Stadt, die das lebendigste Theater- und Kabarettleben hatte.

Mit diesem Unwissen macht Evelin Förster Schluss. Ihr neues Buch greift viele der Biografien auf, die sie bereits auf ihrer CD vorgestellt hat. Nicht weniger als 19 Kapitel widmen sich in ihrem auch optisch sehr gelungenen Buch jeweils einer Autorin oder Komponistin. Darunter sind sehr bekannte Frauen, etwa Erika Mann und Mascha Kaléko. Von anderen ist weniger bekannt, dass sie auch als Autorinnen tätig waren – mit Valeska Geert beispielsweise verbinden die meisten wohl eher den Tanz als die von ihr verfassten Texte.

Andere Namen sind in Vergessenheit geraten, haben die Neuentdeckung aber mehr als verdient. Dazu gehört zum Beispiel Eddy Beuth, geborene Marie Cohn, aus deren Operettentext der Titel des Buches stammt. Unzählige Werke von Beuth hat Förster in jahrelanger Forschung entdeckt, dazu zahlreiche weitere von Frauen, deren Namen sie nie zuvor gehört hatte. Informationen zu 120 Autorinnen hatte sie schließlich gesammelt – Material für eine ganze Bibliothek.

"Die Frau im Dunkeln" muss sich naturgemäß auf einen kleinen Teil davon beschränken, ist aber glücklicherweise viel mehr als eine reine Aufzählung von Frauenbiografien. Im Gegenteil ist das Buch eine wirkliche Kulturgeschichte der kreativen Frauen, die lange vor den berühmten "roaring twenties" einsetzt. So erzählt Förster im Vorwort von der adeligen Schriftstellerin Franziska Gräfin zu Reventlow, die ein eigenständiges Leben führte und deshalb enterbt wurde. Von ihr stammt das folgende Zitat, das mit seiner Lakonie beeindruckt:

"Von jungen Mädchen findet man es ja allerdings entsetzlich, wenn sie ein Selbst sein wollen, sie dürfen überhaupt nichts sein, im besten Fall eine Wohnstubendekoration oder ein brauchbares Haustier, von tausend lächerlichen Vorurteilen eingeengt, die geistige Ausbildung wird vollständig vernachlässigt, möglichst gehemmt. Zuletzt werden sie dann an einen netten Mann verheiratet und versumpfen vollständig im Haushalt und dergleichen."

Anhand von Frauen wie Reventlow, Eddy Beuth und anderen zeigt Förster auf, wie diese sich allmählich einen Platz in der Literatur und im gesellschaftlichen Leben eroberten – von Gleichberechtigung konnte allerdings noch lange keine Rede sein. Und mit dem Machtantritt der NationalsozialistInnen war es auch mit dieser bescheidenen Freiheit wieder vorbei. Die Werke der jüdischen oder regimekritischen AutorInnen wurden zu "Schmutz- und Schundliteratur", wer nicht ermordet wurde, ging ins Exil oder verstummte. Eddy Beuth, die als Jüdin vom Berufsverbot betroffen war, beging 1938 mit ihrer Schwester Selbstmord. Von ihrem Leben wie ihren Werken ist heute kaum noch etwas bekannt. Wie Beuth erging es vielen: Bis heute sind sie aus der Vergessenheit kaum wieder aufgetaucht.

"Die Frau im Dunkeln" hilft bei der Wiederentdeckung – auch anhand der zahlreichen zeitgenössischen Fotos, Illustrationen und Texte entsteht schnell ein beeindruckend vielfältiges Bild der weiblichen Kabarettkultur. Zusätzlich zu den 19 Porträts werden weitere Autorinnen (und Autoren) in einem umfangreichen Register genannt, zudem findet sich ein Werkverzeichnis der porträtierten Künstlerinnen. Wer mehr wissen will, findet hier die geeignete Literatur. Lust, weiterzulesen, macht das Buch auf jeden Fall, unter anderem deshalb, weil einige Lücken auffallen. So taucht beispielsweise die Kabarettistin Claire Waldoff nur mit ihren Werken auf, dass sie auch privat eine Vorreiterin war, bleibt leider unerwähnt: Während des Nationalsozialismus´ offen lesbisch zu leben und das auch zu besingen, erforderte großen Mut.

AVIVA-Tipp: Die Begeisterung der Autorin für ihr Thema ist dem Werk deutlich anzumerken. Ob als Lesebuch oder als Nachschlagewerk, wer sich für Frauengeschichte, für das Kabarett oder für Berlin im frühen 20. Jahrhundert interessiert, ist mit diesem Buch bestens bedient.

Zur Autorin: Evelin Förster, geboren 1955 in Altenburg/Thüringen, studierte an der Staatlichen Ballettschule Leipzig und absolvierte eine Gesangsausbildung an der Fachschule für Musik Leipzig. Seit 1980 ist sie freiberuflich als Sängerin/Solistin tätig. Sie tritt mit musikalisch-literarischen Soloprogrammen aus Chansons und Texten von 1901-1935 auf. Seit 1999 betreibt sie Frauen- und Exilforschung.
Weitere Informationen unter www.evelin-foerster.de


Evelin Förster
Die Frau im Dunkeln. Autorinnen und Komponistinnen des Kabaretts und der Unterhaltung von 1901 bis 1935. Eine Kulturgeschichte

Edition Braus
416 Seiten.
34,95 Euro
ISBN 978-3-86228-057-5
Erschienen im März 2013
www.editionbraus.de

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Weitere Informationen finden Sie unter:

Die Frau im Dunkeln. Das Forschungsprojekt


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