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Beitrag vom 05.04.2013
Deborah Levy - Heim schwimmen
Britta Meyer
Dieser Urlaub war schon ein Alptraum, bevor er überhaupt losging. Der weltbekannte Dichter Joe ist unberechenbar, depressiv und ein chronischer Fremdgänger, seine Frau Isabel, die weltgewandte...
... Kriegsberichterstatterin hat ihn und seine Ausfälle längst gründlich satt und die gemeinsame Tochter kann für ihre Eltern bestenfalls Mitleid aufbringen. Das mitgereiste befreundete Ehepaar steht kurz vor dem Bankrott – beste Voraussetzungen also für ein komplettes Desaster.
Als die LondonerInnen auf der Suche nach Erholung im Ferienhaus bei Nizza ankommen, schwimmt dann auch noch Kitty Finch nackt im Pool. Was zuerst wie eine treibende Wasserleiche aussieht und allen einen Schreck einjagt, stellt sich als sehr lebendige junge Frau heraus, die sich angeblich mit ihrem eigenen Urlaub im Datum geirrt und jetzt keine Bleibe hat. Aller Augen richten sich verblüfft auf Isabel, als diese ihr anbietet, in einem der Schlafzimmer des viel zu großen Hauses unterzukommen. Warum holt sie sich freiwillig diesen Ärger ins Haus?
Die Vivisektion einer Familie
Joe hat immer noch seine eigenen Dämonen aus der Kindheit zu bekämpfen, Isabel hat keine Kraft mehr, die Rolle einer Frau zu spielen, als die ihre Familie sie kennt, die sie aber schon lange nicht mehr sein will und die vierzehnjährige Nina steht als machtlose Zuschauerin am Rand, während ihr zum ersten Mal wirklich klar wird, wie sehr ihre Eltern aneinander vorbei driften.
Kitty ist nur der Katalysator, den es noch brauchte, damit die Dinge endgültig implodieren. Sie ist Botanikerin – sagt sie, und tatsächlich scheinen Pflanzen unter ihren Händen wie wild zu gedeihen. Was sie außerdem mit ihrem Leben tut und wie lange sie ihre Medikamente schon nicht mehr nimmt, kommt erst Stück für Stück an die Oberfläche. Während die südfranzösische Sonne gnadenlos auf das kleine Dorf herunterflirrt, weckt Kitty in allen Anwesenden schlafende Obsessionen, überwundene Verzweiflungen und blanke Aggression. Selbst ist sie als Person und Figur nie wirklich zu greifen und schillert zwischen Getriebenheit und Depression, unwirklich und beinahe comic-artig, wie eine Mischung aus Poison Ivy und Neil Gaiman´s Charakter "Delirium", mit einem fatalen Schuss Hedda Gabler.
Kitty ist nicht zufällig hier, genau an dem Ort, an dem ihr glühend verehrter Lieblingsdichter gerade Urlaub machen will. Ihm nachreisend und auflauernd will sie mehr als alles andere, dass er ihr Gedicht liest und ihr sagt, was er davon hält. Überzeugt davon, dass alles, was er je geschrieben hat, direkte Nachrichten an sie persönlich gewesen sind, ist er ist für sie der einzige Mensch, der es bewerten kann, denn Kitty und Jacob teilen etwas, das niemand der anderen verstehen kann...
Zur Autorin: Deborah Levy, wurde 1959 in Südafrika geboren, besuchte das Dartington College of Arts in England und lebt als Autorin in London. Sie schrieb Prosaarbeiten, Drehbücher und Theaterstücke, die unter anderem von der Royal Shakespeare Company aufgeführt wurden. "Heim schwimmen" ist ihr neunter Roman und war unter den FinalistInnen des Man Booker Prize 2012.
AVIVA-Tipp: "Heim schwimmen" erzählt in gleißenden Bildern einen völligen Zusammenbruch. Die Charaktere wirken wie ProtagonistInnen in einem klassischen Drama, die genau wissen, was auf sie zukommt, aber zu gefangen in ihren eigenen Köpfen sind, um es zu verhindern. Eine Geschichte wie ein Autounfall – alles passiert wie in Zeitlupe, aber aufhalten kann mensch es nicht.
Deborah Levy
Heim schwimmen
Originaltitel: Swimming Home
Aus dem Englischen von Richard Barth
Verlag Klaus Wagenbach, 2013
168 Seiten. Gebunden mit Schutzumschlag
17,90,- Euro
ISBN 978-3-8031-3247-5
www.wagenbach.de
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