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Beitrag vom 28.01.2013
Christa Winsloe - Das Mädchen Manuela
Annika Hüttmann
Manuela von Meinhardis ist anders als es von ihr in Preußen um die Jahrhundertwende erwartet wird. Und trotz des großen zeitlichen Abstands fühlt sich Winsloes einfühlsame Schilderung einer...
... unglücklichen Kindheit und Jugend auch heute noch sehr nah an. "Der Roman zum Film Mädchen in Uniform" heißt es im Untertitel des Buches. Warum das nicht ganz stimmt, dazu später.
Das Buch setzt mit der Geburt Manuelas, genannt Lela, ein und folgt ihrer Entwicklung bis in die Jugend. Die wichtigste Bezugsperson des schüchternen und ängstlichen Mädchens ist während ihrer gesamten Kindheit die Mutter - solange Mama da ist, stört Manuela weder der Tod ihres älteren Bruders, noch die nur wenigen Freundschaften zu Gleichaltrigen. Auch ein Umzug der Familie, als der Vater - ein Offizier - in ihnen recht feindlich gesinntes, ehemals französisches, Gebiet versetzt wird, ist für Lela weniger schlimm als für die Eltern. Doch als die Mutter stirbt, beginnen für Manuela immer schlechtere Zeiten. Ihr enges Verhältnis zu dem Jungen Fritz wird falsch verstanden und führt schließlich dazu, dass ihr Vater sie auf ein Internat schickt. Es gibt nur einen Grund, dass Manuela sich mit dem streng geregelten Leben, den Verboten und Strafen im Mädchenpensionat überhaupt abfinden kann: Die Lehrerin Fräulein von Bernburg. Fast alle Schülerinnen schwärmen für diese Frau, doch Manuelas Gefühle werden bald so stark, dass sie ihren gesamten Alltag bestimmen. Fräulein von Bernburgs emotionales Chaos ist nicht geringer als das der jungen Frau - dass sie ihre Zuneigung nur aus Pflichtbewusstsein unterdrückt, kann Manuela jedoch nicht ahnen. Die Verzweiflung des Mädchens wird immer größer...
Der Roman erzählt ohne Zweifel eine lesbische Liebesgeschichte (die Lesart, dass Manuela in ihrer Lehrerin lediglich einen Mutterersatz sucht, ist zwar im Text angelegt, greift allerdings viel zu kurz). Einige der Erfahrungen, die Manuela machen muss, weil sie nicht der Norm entspricht, sind leider immer noch erschreckend aktuell. Doch auch wenn vor allem lesbische Leserinnen sich auch heute noch mit der Geschichte identifizieren können, ist es interessant, dass bei Winsloe nicht das Thema der Homosexualität im Vordergrund steht. Vielmehr entwirft die Autorin ein umfassendes Portrait der Zeit ihrer eigenen Jugend, in dem sich Kritik an vielen Bereichen finden lässt. So wird über die Figur des Vaters immer wieder das preußische Militärwesen in den Vordergrund gerückt. Einerseits erscheint es lächerlich und voller leerer Gesten, andererseits wird jedoch auch deutlich, welche Macht der Staat über das Individuum hatte.
Die Probleme, die Manuela im Mädchenpensionat hat, liegen zunächst nicht an ihren Gefühlen für Fräulein von Bernburg, sondern sie leidet - wie ihre Mitschülerinnen auch - an einem übertrieben strengen Erziehungssystem, das keine Rücksicht auf die Psyche der Kinder nimmt, sondern strikt Regeln befolgt. Winsloe stellt eine Gesellschaft dar, in der alle vor lauter Zwängen fast erdrückt werden. Manuelas Liebe zu Fräulein von Bernburg ist somit nur der Grund, warum die allgemein schwierige Situation für sie unerträglich wird.
"Das Mädchen Manuela" schildert die Welt zu großen Teilen aus der Perspektive der Protagonistin und zwar so gekonnt, dass es schwer ist, beim Lesen unbeteiligt zu bleiben. Das Buch liest sich einfach und schnell und ist nicht unbedingt ein literarisches Meisterwerk. Dafür ist es aber ein schönes und bewegendes Leseerlebnis und somit sehr empfehlenswert. Allerdings muss davor gewarnt werden, dass der Text einige, wenn auch wenige, Formulierungen enthält, die aus heutiger Sicht nicht unproblematisch bzw. sogar rassistisch wirken. Ein Blick auf Winsloes Biographie macht allerdings deutlich, dass diese kein Ausdruck politischer Ideologien der Autorin sind, sondern zeittypisches Vokabular.
Die Neuauflage des Romans enthält ein lesenswertes Nachwort von Doris Hermanns, von der auch die erste Biographie Christa Winsloes, "Meerkatzen, Meißel und das Mädchen Manuela. Die Schriftstellerin und Tierbildhauerin Christa Winsloe" stammt. Neben Informationen zur Autorin steht hier vor allem die Enstehungsgeschichte im Mittelpunkt. Hier erfährt mensch auch, dass der Untertitel: "Der Roman zum Film Mädchen in Uniform" wohl vor allem gewählt wurde, um an den Welterfolg des Filmes von 1931 anzuknüpfen. Die Verfilmung ihres Theaterstückes Ritter Nerestan, Winsloes ursprünglicher Manuela-Erzählung, störte Winsloe aufgrund starker Abweichungen von der Vorlage. Der Roman erzählt somit nicht nur, anders als der Film, die Vorgeschichte zu Manuelas Ankunft im Internat, sondern hat auch ein anderes Ende. Daher gilt: Auch wer eine der Verfilmungen kennt, sollte das Buch lesen!
AVIVA-Tipp: Ein feinfühliges, gleichzeitig unterhaltsames und bedrückendes Buch, das zu Recht als lesbischer Klassiker gilt, aber auch als Schilderung einer Jugend in Deutschland um die Jahrhundertwende überzeugt.
Zur Autorin: Christa Winsloe, geboren 1888 in Darmstadt, war Schriftstellerin und Bildhauerin. Nach verschiedenen Auslandsaufenthalten lebte sie von 1938 an in Frankreich, zuletzt in Cluny, wo sie im Juni 1944 zusammen mit ihrer Lebensgefährtin erschossen wurde.
Ausstellung im Schwulen Museum:
30. November 2012 – 4. März 2013
Mädchen in Uniform – Christa Winsloe (1888-1944)
Erstmals werden aus Privatbesitz Skulpturen und Skizzen gezeigt, Manuskripte und Pressebeiträge repräsentieren ihr schriftstellerisches Werk. In Briefen beschreibt sie ihren Alltag. Postkarten zeigen die Lebensorte Hatvan, München und Südfrankreich. Dokumente belegen die Ungewissheit der Freundinnen über das Schicksal Christa Winsloes nach Kriegsende. Kostüme, Plakate, Szenen- und Kostümentwufszeichnungen, Fotos und Dokumente zeigen die Rezeption der drei Filme und ausgewählter Theaterinszenierungen von 1930 bis heute. Die Exponate sind Leihgaben aus deutschsprachigen Museen.
KuratorInnen: Heike Stange, Wolfgang Theis
Veranstaltungsort: Schwules Museum, Mehringdamm 61, 10961 Berlin
www.schwulesmuseum.de
Christa Winsloe
Das Mädchen Manuela – Der Roman zum Film "Mädchen in Uniform"
Verlag Krug & Schadenberg, erschienen 2012
296 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-930041-86-2
Euro 16,90,- Euro
www.krugschadenberg.de
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