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Beitrag vom 19.12.2012
Laura Méritt - Frauenkörper neu gesehen
Sarah Schaschek
Ist ein Diaphragma sicher? Wie behandle ich einen Hefepilz? Wer beim Thema Frauengesundheit eine Alternative zu zweifelhaften Onlineforen sucht, ist bei diesem Kultbuch (Orlanda) gut aufgehoben.
Dieses Buch, das ist kein Witz, ersetzt gefühlte 83 Internetforen. Wer sich je mühsam durch kilometerlange Einträge zum Thema weiblicher Orgasmus oder Zwischenblutung geklickt hat, wird staunen, wie viel Information über den weiblichen Körper zwischen zwei Buchdeckel passen kann. Klar formuliert und aufschlussreich bebildert kommt das Buch "Frauenkörper neu gesehen" daher. Von der Klitoris über sanfte Verhütungsmethoden bis zu Polypen in der Gebärmutter erklärt es weibliche Sexualität. Es ist halb Nachschlagewerk, halb Gesundheitsratgeber und klingt doch weder anstrengend medizinisch noch aufklärerisch. Geradezu nüchtern und doch immer die fragende Leserin im Blick beschreibt das Buch die sexuelle Anatomie der Frau.
Das tat es schon vor 30 Jahren, als es erstmals in den USA erschien. Damals war es das Buch zur feministischen Gesundheitsbewegung. Es fasste das Wissen zusammen, das Frauengruppen in ihren legendären Sitzungen anhäuften, bewaffnet mit Handspiegeln und dem Willen, den eigenen Körper besser zu verstehen. Frauen wollten selbstbewusstere Patientinnen werden und forderten gleichzeitig die überwiegend männlich geprägte Schulmedizin heraus. Die Schulmedizin, fanden die Frauen der Siebziger, ignorierte spezifisch weibliche Gesundheitsaspekte – schon deshalb, weil über die Geschlechtsorgane der Frau viel zu wenig geforscht wurde. Statt Literatur gab es vor allem Mythen über weibliche Sexualität.
All das erzählt die Berliner Linguistin und selbsternannte "Sexpertin" Laura Méritt in ihrer Einleitung zur Neuausgabe von "Frauenkörper neu gesehen". Mensch erfährt also neben den Grundlagen weiblicher Anatomie auch viel Historisches, etwa zur weiblichen Scham oder zum Streit um die Ejakulation. Méritt und ihre Mitautorinnen haben das Kultbuch der 1980er Jahr im Wesentlichen in seinem Grundzustand belassen und lediglich ein wenig dem Zeitgeist angepasst. Neben dem Repertoire von damals (Geschlechtsorgane, Verhütung, Wechseljahre) gibt es jetzt ein Kapitel über Intimchirurgie und eines über Transsexualität. Immerhin werfen heutige medizinische Möglichkeiten Fragen auf, die Feministinnen damals kaum hätten ahnen können. Welche Risiken bergen hormonelle Behandlungen? Was passiert bei einer Gebärmutter-Straffung mit meiner Lust? Fragen, die im Sprechzimmer selten gestellt werden, beantwortet das Buch behutsam und ohne Besserwisserei.
Bis auf das Thema Schwangerschaft, das der Band ganz ausspart, finden sich für die meisten körperlichen Veränderungen ausführliche Erläuterungen – inklusive einer Liste sexuell übertragbarer Krankheiten und ihrer Medikation. Insgesamt konzentrieren sich die Autorinnen dabei auf alternative Medizin: Es waren überwiegend Heilpraktikerinnen und Mitarbeiterinnen feministischer Gesundheitszentren, die bei der Überarbeitung des Bands beteiligt waren. Das Herz des Buches sind aber noch immer die spektakulären Zeichnungen von Suzann Gage. Über der Betrachtung von Zellen der Gebärmutterschleimhaut kann schon mal ein Nachmittag vergehen. Und noch immer gibt es in keinem anderen Lehrbuch eine Abbildung der erigierten Klitoris samt ihres vogelartigen Schwellkörpers.
"Frauenkörper neu gesehen" ist über die Jahre zum Kultbuch avanciert. Zuletzt bekam man es jedoch nur noch bei Amazon zu Antiquariatspreisen. Die Wiederauflage des Buches war lange überfällig und setzt dem diffusen Wissen um den weiblichen Körper, das uns online begegnet, einen kompakten Ratgeber entgegen.
In Internetforen kann mensch derweil getrost wieder anderen Fragen nachgehen.
AVIVA-Tipp: Das Autorinnenkollektiv um Laura Méritt schafft es, komplexe medizinische Zusammenhänge rund um die weibliche Sexualität verständlich zu erklären. Das Buch macht Mut, den eigenen Körper kennenzulernen. Es hilft außerdem, kritisch mit den Präparaten der Gesundheitsindustrie umzugehen, im entscheidenden Moment aber zu wissen, wann professioneller Rat angebracht ist.
Zur Herausgeberin: Dr. Laura Méritt klärt mit Herzlichkeit und Lebenserfahrung seit Jahrzehnten über Sex und Sexualität auf. Als Pädagogin und Kommunikationswissenschaftlerin vermittelt sie komplexe Inhalte anschaulich und frei von Berührungsängsten. Dem eigenen Körper lustvoll, entdeckungsfreudig und stets neu zu begegnen, ist die Triebfeder ihrer Arbeit. Vor diesem Hintergrund betreibt sie u.a. die Berliner Institution "Sexclusivitäten" – inklusive wöchentlichem "Freudensalon" – die seit rund 20 Jahren den Freiraum für Information, offenen Dialog und Erfahrungsaustausch schafft. Die Autorin und Herausgeberin zahlreicher Buchtitel lebt und werkelt in Kreuzberg, naturgemäß mit Witz und Freigeist.
Mehr Infos unter: www.sexclusivitaeten.de und www.weiblichequelle.de
Dr. Laura Méritt (Hg.)
Frauenkörper neu gesehen. Ein illustriertes Handbuch
Orlanda Verlag, erschienen im Oktober 2012
Paperback, 216 Seiten
ISBN 978-3-936937-93-0
24,50 Euro
Mehr Infos: www.orlanda.de
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Zwei Ratgeber zum Thema Wechseljahre, erschienen im Orlanda Verlag
Unbekannte Patientin. Die Medizin entdeckt den weiblichen Körper neu von Birgit Frohn und Claudia Praxmayer
Diese Rezension wurde uns von Sarah Schaschek freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Mehr Infos unter: www.sarah-schaschek.de