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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 01.11.2011


Francoise Sagan - Ich glaube, ich liebe niemanden mehr. Mit Originalzeichnungen von Bernard Buffet
Nina Breher

Als die junge Sagan mit ihrem Aston Martin verunglückt, wird ihr ein Schmerzmittel verabreicht. Von den Verletzungen erholt sie sich, wird jedoch morphiumabhängig. Während eines Entzugs führt sie...




...Tagebuch. Erstmalig liegt es nun in deutscher Ãœbersetzung vor und erlaubt Einblicke in das Denken der unkonventionellen Frau. Es scheint fast, als sei sie nicht immer ganz so kompromisslos gewesen, wie ihr nachgesagt wird.

"Ich glaube, ich liebe niemanden mehr" ist ein Dokument über den Kampf mit sich selbst und über die verschiedenen Körper- und Geisteszustände einer Sucht. Es zeugt davon, was passiert, wenn eine junge, überlebensfrohe Frau versucht, durch einen Aufenthalt in einer Entzugsklinik wieder Fuß im Leben zu fassen. Der Wille und die Notwendigkeit, ohne chemische Substanzen weiterzuleben, kämpft mit der unbändigen Melancholie über eine Zeit, die nun vorbei zu sein scheint, denn die Leidenschaft für das hedonistische Vergnügen steht traditionell im Clinch mit der Vernunft.

1957, mit nur 22 Jahren, kommt Françoise Sagan bei einem Autounfall beinahe um. Nur vier Jahre zuvor war "Bonjour Tristesse" erschienen, damals ein Skandal und bis heute ein Bestseller. Ihr bürgerlicher Name ist Quoirez, das Pseudonym bezieht sich auf einen Roman von Marcel Proust. Sie nahm ihn an, um den Ruf ihrer Eltern nicht zu schädigen und wuchs zu einer Galionsfigur der französischen Bohème heran.

Der Originaltitel "Toxique" ist Programm. Sagans Aufzeichnungen widersetzen sich der bürgerlichen Logik, der zufolge jede Entziehungskur eine radikale Läuterung mit sich bringt. Es scheint, als sei sie froh und traurig zu gleichen Teilen, die Sucht nach der morphinähnlichen Substanz Palfium hinter sich zu lassen: "Ich werde mich auf eine Wiese legen, den Geruch von warmem Gras einatmen. Fast bedaure ich, nicht wirklich unter Drogen zu stehen: dann würde mich das so bittersüß an meine Kindheit erinnern." In Tagebuchmanier sind es weniger die analytischen Betrachtungen des Erlebten, die das Werk ausmachen, sondern die intuitiven und oft widersprüchlichen Aussagen. In die Suchtthematik eingewoben finden sich auch Erinnerungen, Selbstreflexionen und vieles mehr: "Ich hatte schon lange nicht mehr mit mir selbst gelebt. Das wirkt sich seltsam aus." Es ist das Zeugnis einer Lebensphase.

Um die kurzen, undatierten Notizen des französischen enfant terrible der 50er Jahre ranken sich Kohlezeichnungen des Malers Bernard Buffet. Mit scharfem, intuitivem Strich untermauern sie die Gewalt dieses Kampfes, den Sagan gegen sich selbst austrägt. Es wäre nur zu wünschen gewesen, dass der Künstler etwas dezenter über eine nackte, sich gequält räkelnde Françoise Sagan phantasiert hätte.

AVIVA-Tipp: Vor dem inneren Auge der LeserInnen entwickelt sich ein scharfes, intimes Bild dieses Drogenentzugs. Doch Françoise Sagan war kompromissloser, als diese Notizen erahnen lassen – dass der Unfall nicht das Ende einer kurzen, sondern der Beginn einer lebenslangen Sucht war, konnte sie nicht wissen, als sie dieses Tagebuch schrieb. Sagan bewegt sich zwischen hedonistischem Lebensentwurf und der reifenden Bereitschaft, diesen aufzugeben – ohne jedoch wirklich zu wissen, wofür. Deshalb steht "Ich glaube, ich liebe niemanden mehr" in einer ungewöhnlichen Spannung zu ihrem restlichen Leben und Werk. Ein Muss für Fans der Ikone, eine kleine Bereicherung für solche, die es werden wollen und interessant für alle, die etwas über Innenperspektiven der Sucht erfahren möchten.

Françoise Sagan
Ich glaube, ich liebe niemanden mehr
Mit Originalzeichnungen von Bernard Buffet

Originaltitel: Toxique
Aufbau Verlag, erschienen: 2011
Leinen mit Banderole, 88 Seiten
ISBN: 978-3-351-03367-5
14,99 Euro
Weitere Informationen finden Sie unter: www.aufbau-verlag.de

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