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Beitrag vom 04.12.2004
Leitfäden für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Ilka Fleischer
Die zwei aktuellen Guides Im Dschungel der Gesetze von Viola Falkenberg und der Leitfaden für die Pressearbeit von Knut S. Pauli nehmen Medien-Laien wie -Profis im PR-Dickicht an die Hand.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit werden zunehmend als Trojanisches Pferd für JournalistInnen diskutiert. Durch Personalreduktion und gesteigerten Produktionsdruck einerseits sowie zunehmende Professionalisierung der PR-Branche andererseits werde die Tendenz zu unkritischer Berichterstattung in den Medien gefördert. Zu diesem Ergebnis kommt nicht nur eine seit mehreren Jahren laufende Benchmark-Studie des Instituts für Journalistik der Universität Leipzig. "Die Macht der PR geht einher mit der Ohnmacht der Journalisten", konstatierte der Studienleiter Michael Haller am 18. JournalistInnentag am 27. November in Berlin, der unter dem Motto stand "`Embedded forever´. Verkommt der Journalismus im bequemen Bett von PR und Marketing?". Mehr als 200 JournalistInnenen verabschiedeten zum Abschluss der Veranstaltung der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) eine Resolution für "sauberen Journalismus".
In seinem Grußwort zur Eröffnung des jüngst gegründeten Viola Falkenberg Verlages lobte der Bremer Bürgermeister Henning Scherf das Erstlingswerk im Verlagsrepertoire "Im Dschungel der Gesetze" ohne norddeutsche Zurückhaltung:
"Solche Bücher können ganz wesentlich dazu beitragen, dass PR so wird, wie sie eigentlich sein sollte: Gut, fair und professionell. Das kommt allen zugute, die mit Medien umgehen und dient letzten Endes der Öffentlichkeit, die auf redliche und wahrheitsgetreue Informationen angewiesen ist."
Da Henning Scherf nicht nur im Bremer Medien-Dschungel als personifizierte Redlichkeit und Wahrheitstreue gilt, ist seine Einschätzung kaum als "schlechte PR-Masche" zur Förderung des regionalen Wirtschaftswachstums abzutun. Der Kern der Aussage ist dennoch fragwürdig: Kann Gesetzestreue im PR-Bereich tatsächlich als Garant für "wahrheitsgetreue Informationen" dienen? Inwiefern basieren "redliche" Public Relations auf geltendem Recht? Sind "redliche und wahrheitsgetreue Informationen" tatsächlich Sinn und Zweck von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit? Was macht "gute PR-Arbeit" im Unterschied zum "guten Journalismus" und zum "guten Marketing" wirklich aus?
Viola Falkenberg, Verlegerin und Autorin des Grundlagenwerkes über Presse- und Öffentlichkeitsarbeit geht diesen Fragen zwar nur randläufig nach, gibt andererseits aber auch nicht vor, etwas anderes als eine Wanderführerin "Im Dschungel der Gesetze" sein zu wollen. Auf gut 200 Seiten führt sie ihre Leser/innen durch 65 Paragraphen aus 16 verschiedenen Bundesgesetzen, durch Landespressegesetze, Mediendienste-Staatsverträge und Branchenkodices, um Branchen-"Frischlingen" einen Überblick über das scheinbar undurchdringliche Terrain zu verschaffen, aber auch um Unsicherheiten von "Silberrücken" abzubauen.
Durch den modularen Aufbau des Leitfadens schafft die Autorin mehr als ein Grundlagenwerk: Wer gerade keine Zeit für die 200-Seiten-Lektüre hat, sondern sich schlichtweg auf einen aktuellen Stand beispielsweise zum Thema "Pressespiegel" bringen will, kann sich auf vier Seiten incl. Checkliste konzentrieren. In den Kapiteln Öffentlichkeitsarbeit, Pressearbeit, Online, Gesetzliche Pflichten, Gesetzliche Rechte und Gesetzliche Grenzen geht sie außerdem auf zahlreiche Themen ein, die besondere rechtliche Fallstricke bergen: u.a. Faltblätter und Broschüren, Veranstaltungen, Interviews, Impressum, Werbemails, Auskunftspflicht gegenüber JournalistInnenen, Fotos, Zitate, Schleichwerbung oder auch der Anspruch auf Gegendarstellung. Im Anhang finden sich neben einem tabellarischen Überblick der Urheber- und Nutzungsrechte Anschriften und Kontaktdaten von GEMA, Pflichtexemplarbibliotheken, Hörfunk- und TV-Anstalten nach Bundesländern sortiert.
Der klar strukturierte Gesamt- und Kapitel-Aufbau könnte mit seinen deutlich markierten Schlüsselsätzen, den wohl geordneten Praxis-Beispielen, seinen übersichtlichen Checklisten und den sauber zusammengetragenen relevanten Paragraphen fast den Eindruck erwecken, der §§-Dschungel sei ein botanischer Garten. Der besondere Verdienst der Autorin liegt aber gerade darin, die vielen Grauzonen und Interpretationsspielräume nicht zu verschleiern, den Dschungel zwar zugänglicher zu machen, aber nicht zu verharmlosen.
Weiterführende Informationen zu Autorin, Verlag und Buch finden sich auf der Website:
www.falkenberg-verlag.de
Im Dschungel der Gesetze Leitfaden Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
von Viola Falkenberg
Broschiert - Verlag Viola Falkenberg
Erscheinungsdatum: September 2004
ISBN: 3937822593
EUR 22,90200618150375" .
bietet Knut S. Pauli ganz andere Orientierungspunkte im PR-Dickicht und streift wiederum die rechtlichen Aspekte nur en passant. Die gerade erschienene 3. Auflage in der Reihe Beck-Wirtschaftsberater will mit Anregungen, Beispielen und Checklisten sowohl EinsteigerInnen wie PraktikerInnen im Bereich Public Relations unterstützen.
Der Autor stellt zunächst seine Interpretation der Ziele und Inhalte von PR- und Öffentlichkeitsarbeit dar - nicht zuletzt im Unterschied zum Marketing. Neben einem geschichtlichen Rückblick und einer Beschreibung häufiger PR-Fehler geht er dann vor allem auf das Management von PR-Aktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit als Führungsaufgabe ein. Einem Überblick der deutschen Medienlandschaft folgt die Erörterung verschiedener Instrumente und Methoden in der PR- und Öffentlichkeitsarbeit. Dabei erörtert Pauli zwar "traditionelle" Instrumente wie Pressemitteilungen, -konferenzen und Betriebsbesichtigungen, PR-Methoden im Kontext Neuer Medien werden allerdings nicht berücksichtigt. Seinen Ausführungen über innerbetriebliche Kommunikation, Risikokommunikation und Messen als PR-Aktivität folgt ein längerer Abschnitt zur korrespondierenden Erfolgskontrolle. Empfehlungen zur Auswahl von PR-BeraterInnen und Ratschläge zum Umgang mit JournalistInnen runden den Leitfaden ab.
Bei fast jedem Buch ist es interessant, einige Eckdaten zuR VerfasserIn zu erfahren. Bei Sachbüchern ist es oft ein elementarer Hinweis für den inhaltlichen Focus und etwaige "blinde Flecken". Dies gilt umso mehr bei Leitfäden, deren SchöpferInnen gleichzeitig auch UnternehmerInnen in assoziierten Geschäftsfeldern sind:
ist gelernter Wirtschaftsjournalist, Diplom-Volkswirt und Geschäftsführer einer Agentur für Wirtschaftskommunikation.
liegen entsprechend in der professionellen Praxisnähe Paulis. Zahlreiche fachmännische Tipps machen das Buch zu einer Fundgrube für EinsteigerInnen sowie zum Korrektiv und Inspirationsquell für Profis. Die Kehrseite liegt auf der Hand: Wer selbst mitten im Geschäftsleben steht, verliert oft die nötige Distanz, um das eigene Betätigungsfeld kritisch zu sezieren. So verliert Pauli nicht selten aus dem Blick, dass PR-Methoden, Sinn und Zweck immer in Abhängigkeit zur Zielgruppe zu betrachten sind: PR für KMU ist ungleich PR für NGOs, und "gute" PR kann weder Kulturkreis noch Geschlecht der Zielgruppe außer Acht lassen und. Last not least ist auch der PR-Wert des Buches für das Unternehmen des Verfassers nicht zu unterschätzen: Zu viel Selbstkritik und grundlegendes Infragestellen des Sujets wäre sicher kein Pluspunkt für die eigene Agentur. Daher konzentriert sich der Autor im wesentlichen auf die praktischen Aspekte der PR-Arbeit, schweift aber dennoch zuweilen in die moralischen Gefilde des Genres ab - leider zu oft unter der vereinfachenden Leitfrage "Was ist richtig, was falsch?"
Die Frage nach den Zielsetzungen, Ingredienzien und Maßstäben "guter PR-Arbeit" sowie ihren Schnittmengen und Unterschieden zu Journalismus und Marketing bleibt daher in beiden Leitfäden ein Randaspekt - und bietet somit "Stoff" für ein weiteres Grundlagenwerk im Neuen Jahr...
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