AVIVA-Berlin >
Buecher
AVIVA-BERLIN.de im November 2024 -
Beitrag vom 25.06.2004
Gender & IT - neue Studie von Susanne Thoma
Ilka Fleischer
Geschlechterperspektive bei der Vermittlung von Computer- und Internetkompetenz. Eine Bestandsaufnahme von Forschungsergebnissen.
Im zurückliegenden Jahr stieg der OnlinerInnen-Anteil der weiblichen Bevölkerung gegenüber dem Vorjahr um 3,5 % auf 45,6 %, 2001 lag der Anteil noch bei 30,1 %. Da sich die Geschlechterkluft bei der Computer- und WWW-Nutzung in den letzten Jahren in einem rasanten Tempo zu schließen scheint, liegt die Frage nahe: Welchen Sinn macht die Geschlechterperspektive bei der Vermittlung von Computer- und Internetkompetenz überhaupt noch?
In der Einleitung ihrer Bestandsaufnahme von Forschungsergebnissen nimmt Susanne Thoma dieser Infragestellung ihres Studien-Ansatzes gleich den Wind aus den Segeln: Die jüngsten Erfolge erschienen nur so positiv, weil das Ausgangsniveau so niedrig wäre - insgesamt sei die Situation noch immer unbefriedigend. Beim Vergleich der Web-Nutzung einzelner Bevölkerungsgruppen zeigten sich nach wie vor erhebliche prozentuale Unterschiede zwischen den Geschlechtern, unterstreicht in ihrem Vorwort auch Barbara Schwarze, Geschäftsführerin von Frauen geben Technik neue Impulse e.V.. Am markantesten präsentiert sich die Kluft zwischen den männlichen und weiblichen OnlinerInnen bei den über 70-Jährigen: Obwohl Frauen dieser Altersgruppe einen Bevölkerungsanteil von 55% ausmachen, stellen sie nur 2,5% der Web-UserInnen. Neben der "passiven" PC-Nutzung machen sich die Ungleichheiten aber vor allem in der aktiven Mitgestaltung von Hard- und Software bemerkbar: So liegt der Anteil der Erstsemesterinnen in der Informatik bei nur 18,6%.
Vor diesem Hintergrund formuliert Susanne Thoma ihr Leitmotiv:
"Technisches Knowhow fungiert bis heute als scharfe Trennungslinie zwischen den Geschlechtern. Der Umgang mit Technik und Technologien, ihre Nutzung und die Teilhabe an der Technik- und Technologieentwicklung spielen eine bedeutende Rolle bei der geschlechtshierarchischen Teilung des Arbeitsmarktes in Frauen- und Männerberufe [...]. Soll diese Teilung nicht als dauerhaftes strukturelles Merkmal unsere Gesellschaft prägen, bedarf es auch weiterhin zahlreicher Anstrengungen, u.a. im Bildungsbereich. Das zentrale Anliegen ist dabei, die Geschlechterstereotype aufzubrechen und Bildungskonzepte zu entwickeln, in denen Frauen und Männer gleichermaßen ihre Bedürfnisse entfalten können."
Mit dem Ziel, wissenschaftliche Befunde zusammenzustellen, um Empfehlungen für eine geschlechtssensible Gestaltung bei der Vermittlung von Computer- und Internet-Kompetenz auszusprechen, hat die Autorin in einer Literaturstudie über 300 Quellen ausgewertet und eine ExpertInnenbefragung per Fragebogen durchgeführt. Somit fließen sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse als auch Ergebnisse aus der Praxis der Frauenbildung in ihre Studie ein. Dabei hat sie sich in ihrem knapp 100-seitigen Werk auf folgende Themenschwerpunkte konzentriert:
- Genderansatz in der Erwachsenenbildung
- Konzepte und Strategien der Frauenbildung seit den Anfängen der Neuen Frauenbewegung in Westdeutschland
- Theorieansätze: Defizit-/ Distanztheorie, Differenztheorie, Potenziale-Theorie
- Geschlechtsspezifische Aspekte bei der Vermittlung von Computer- und Internetkompetenz
Mit der Studie, die vom Verein Frauen geben Technik neue Impulse e.V. veröffentlicht wurde, vermittelt Susanne Thoma zugleich einen
Überblick über das weite Themenfeld und eine Defizit-Analyse zum Forschungsstand. So zeigt sie zwar unterschiedliche Ansätze zu geschlechtsdifferenten Lernprozessen auf, betont aber auch, dass die zugrunde liegenden Daten weitgehend "ohne fundierte empirische Basis" gewonnen wurden. Das gleiche Manko gelte für die Erforschung der Ursachen des "anderen" Umgangs von Frauen und Männern mit Computer und Internet.
Die ausgewiesenen empirischen Lücken hindern die Autorin jedoch nicht daran,
praktische Folgerungen zu ziehen, die über die Ausbesserung der Datenbasis hinausgehen: So empfiehlt sie, bei der Planung und Durchführung von Bildungsveranstaltungen Geschlechterdifferenzen hinsichtlich der Seminarinhalte, dem Verhalten der Teilnehmenden und der Seminarleitung, der methodischen Gestaltung und den Rahmenbedingungen sowie eine Frauen einschließende Sprache zu beachten. Für zukünftige Forschungsvorhaben rät sie, einen
Diversity-Blickwinkel einzunehmen:
"Der Schwerpunkt der Forschungen sollte weniger darin liegen, zu definieren, wie Männer sind und wie Frauen "anders" sind, was weiblich und was männlich ist im Lernen oder im Umgang mit Computern und Internet. [...] Globale gesellschaftliche Entwicklungen und die zunehmenden Individualisierungsprozesse lassen die soziale Schere in den Lebenslagen von Frauen immer weiter auseinander klaffen. Deshalb sollten künftige Forschungsprojekte im Bereich der Bildung verstärkt auf Einflussgrößen wie Alter, ethnische Herkunft, Bildungshintergrund, soziales Milieu oder Lebensformen Wert legen."Der AVIVA-Tipp: Eine fachliche Fundgrube für alle, die in IT-nahen Bereichen der Aus- und Weiterbildung beschäftigt sind.
Zur Autorin:
Susanne Thoma gehörte von 1999-2003 dem Geschäftsführenden Vorstand von Piona Point e.V. - Internationales Netzwerk der Frauen-Computer-Schulen an sowie der Leitung von pepperpoint - Tele- und Businesscenter für Frauen. Inzwischen hat sie die fachliche Leitung des Beratungszentrums "ber-IT - Beratung - Berufsorientierung - Informationstechnologien für Frauen" übernommen und die Unternehmensberatung THOMA | Unternehmen | Beratung gegründet, die sich auf Dienstleistungen in Form von Beratung, Seminaren und Webkonzepten in den Bereichen Projektmanagement/ Arbeitsorganisation, Vernetzung, Qualitätssicherung und Genderperspektive konzentriert.
Thoma, Susanne (2004): Geschlechterperspektive bei der Vermittlung von Computer- und Internetkompetenz. Eine Bestandsaufnahme von Forschungsergebnissen.Wirkstoff-Verlag. Berlin.
Hrsg.: Frauen geben Technik neue Impulse e.V. Berlin. Mitarbeit: Cornelia Lins.
96 Seiten, 5 Abbildungen, 4 Tabellen
ISBN:3-933788-00-5
Der Verkaufspreis beträgt 8,- EUR. Hinzu kommen 1,50 EUR Versandkosten.
Die Publikation kann online bestellt werden unter:
http://www.wirkstoff.org/formular.htm...oder postalisch beim:
Wirkstoff Verlag
Rheinsberger Str. 77, 10115 Berlin
fon: 030 - 4402250, fax: 030-44022511