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Beitrag vom 15.12.2011
Wörter erzählen Geschichte. Ein zeitgeschichtliches Ratespiel der Worte des Jahres, konzipiert von Brenda Büttner, Kathrin Hawelka und Sabine Sittig
Lisa Scheibner
Teuro? Ellenbogengesellschaft? Abwrackprämie? Die Worte des Jahres gibt es jetzt als Spiel! In der schönen Schachtel verbergen sich 35 illustrierte Karten mit Texten, die der Rätselnden...
...auf die Sprünge helfen sollen.
Moment mal, wie funktioniert das?
Mithilfe des grünen Kapitalbändchens wird ein Stapel Karten im DIN A 5 Format aus der gut durchdachten Schachtel zutage gefördert. Illustriert und gestaltet sind diese von 22 DesignstudentInnen der Georg-Simon-Ohm-Hochschule in Nürnberg, nach einer Idee von Brenda Büttner, Kathrin Hawelka und Sabine Sittig, die sich mit ihrem Konzept im Wettbewerb für das Projekt durchsetzten und es dann gemeinsam mit ihren KommilitonInnen verwirklichten.
Aha! Auf der Vordeseite wird ein "Wort des Jahres" bildlich beschrieben.
Seit 1971 wählt eine Fachjury der Gesellschaft für deutsche Sprache Begriffe aus, die im jeweiligen Jahr die öffentliche Diskussion nachhaltig anregten (kontinuierlich geschah dies allerdings erst seit 1977). Wir alle erinnern uns an "Wutbürger", "Finanzkrise" und "Hartz 4". Aber dreht mensch das Rad der Geschichte ein wenig zurück, mag es schon schwieriger werden... Was haben die drei Frisuren (Surfer, Hippie, Punk) mit passenden Accessoires und den dazugehörigen Gesten zu bedeuten? (Illustration: Carina Zanner)
Auf der Rückseite eine Jahreszahl, ein Text, ein paar mysteriöse Dreiecke und Vorschläge für DAS einflussreiche Wort im genannten Jahr. Aber wo ist die Auflösung? Tja! So einfach soll es nun auch nicht sein. Und wozu sind die Aufkleber mit all den liebevoll gestalteten Buchstaben gedacht? FreundInnen der Typografie werden jedenfalls ihre helle Freude daran haben.
Jetzt wird alles klar: Die Dreiecke stehen für die Buchstaben des damals ausgewählten Wortes. Wenn dieses anhand der Illustration und des erklärenden Textes, der es natürlich nicht namentlich erwähnt (wie bei dem Spiel "TABU"), erraten worden ist, kann mensch die Buchstaben auf die Rückseite der Karte kleben.
Also kann das Spiel immer wieder gespielt werden: Eine/r liest den Text vor, die Anderen können sich dann den Kopf zerbrechen und dabei eine hübsche Darstellung von Gerhard Schröder und Joschka Fischer betrachten, die als Chilischoten verkleidet Cancan tanzen (Illustration: Filip Fröhlich). Andrea Baron, der Texterin des Spiels, gelingt es sogar, Tschernobyl zu beschreiben ohne den Ort der Katastrophe zu erwähnen, was schon mal eine Leistung an sich ist.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache schreibt: "mit der Auswahl (des Wortes sei, Anmerkung Lisa Scheibner) keine Wertung bzw. Empfehlung verbunden." Dennoch geben die Worte des Jahres Auskunft darüber, wie und mit welchen sprachlichen Mitteln Diskussionen in (West-)Deutschland geführt wurden und werden.
Seit 1991 gibt es natürlich auch das beinahe noch beliebtere "Unwort des Jahres", doch dieses zu illustrieren, dürfte eher weniger erbaulich sein.
Die StudentInnen der Georg-Simon-Ohm-Hochschule machen jedenfalls ihrem Studiengang Design alle Ehre, das Spiel ist intelligent konzipiert und ästhetisch eine Freude, es verspricht vergnügliche Spielstunden mit erhitzten Diskussionen.
Übrigens, für ganz harte Nüsse steht auch die Auflösung an versteckter Stelle geschrieben... wo, wird hier allerdings nicht verraten.
Zu den MacherInnen: Brenda Büttner (Jahrgang 1986), Kathrin Hawelka (Jg. 1982) und Sabine Sittig (Jg. 1987) studierten an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg Design mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Büttner und Sittig arbeiten als selbständige Grafikerinnen und Illustratorinnen, Hawelka ist Fotografin und als Digital Artist in London tätig.
Ihre 22 KommilitonInnen haben die individuellen Illustrationen der Worte des Jahres beigetragen, die Supervision des Projektes lag bei Professorin Alexandra Kardinar und Professor Burkhard Vetter.
Die Website der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg finden Sie unter: www.ohm-hochschule.de
AVIVA-Tipp: Die Idee dieses gelungenen Ratespiels ist, das Potential der bisher 35 gewählten Worte des Jahres auszuschöpfen, die als zeitgeschichtliche ZeugInnen fungieren. Es geht nicht nur darum, das richtige Wort zu erraten, von denen manche der MitspielerInnen sicher nie gehört haben. Das interaktive Spiel versteht sich vor Allem auch als Anregung zum Gespräch über die Begriffe und die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse jener Zeit. "Wörter erzählen Geschichte" ist als Edu-tainment zum Anfassen inhaltlich und praktikabel gut durchdacht und auch visuell ein Genuss: Die grafisch abwechslungsreich gestalteten Karten sind eine Augenweide und die Schachtel in schwarz, weiß und türkisgrün von erlesenem Design.
Wörter erzählen Geschichte. Ein zeitgeschichtliches Ratespiel der Worte des Jahres
Konzipiert von Brenda Büttner, Kathrin Hawelka und Sabine Sittig
Edition Büchergilde, erschienen im November 2011
Box mit 35 illustrierten Karten, Stickerset und Spielanleitung
EAN 4260118010469
19,90 Euro
www.edition-buechergilde.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Spiel "Fabelhaft. Die Welt der Fabeltiere", ebenfalls erschienen in der Edition Büchergilde
"RuhrWeiber. Das Wissensspiel"