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Beitrag vom 25.03.2008
Lena Gorelik - Verliebt in Sankt Petersburg. Meine russische Reise
Sharon Adler
Die Autorin von "Meine weißen Nächte" und "Hochzeit in Jerusalem" legt nach. Mit dem intimen Reisebuch über Stadt, Land, Fluss und Menschen wirft sie einen ironisch-liebevollen Blick auf Klischees
Ob Wodka ("In Russland ist es eine Frage der Ehre, welchen Wodka man trinkt") oder Datscha-Gurken ("Eine Datscha ist kein Wellnesshotel"), nicht zu vergessen Dill (" Dill passt zu allem, ist ein sehr gutes Gewürz") oder die heißgeliebten Kartoschkas ("Es gibt nichts Besseres auf dieser Welt als Kartoschkas") oder schließlich Kaviar, so lässt sich über kulinarische Genüsse manch nationales Charakteristikum definieren. Besonders deutlich werden die kulturellen Unterschiede, wenn die Autorin mit Rosen und Herzen bestickte Hochzeitskleider beschreibt, die "man in Deutschland für eine Hochzeitstorte halten würde". Wenn dann noch der Umstand offenbar wird, dass "keiner der Brautleute älter als 23 ist", wird schnell klar, wo wir uns befinden. Nicht in Deutschland, sondern in Russland, genauer: in Sankt Petersburg, neuerdings eines der most trendy Reiseziele Europas.
Der literarische Shooting-Star Lena Gorelik beschreibt in ihren früheren Romanen "Meine weißen Nächte" und "Hochzeit in Jerusalem" plastisch, emotional und äußerst komisch ihre Erinnerungen an ihre russische Kindheit, wo Kartoffeln mit Hering zum Frühstück der Inbegriff von Glück bedeutete, und später ihre Erfahrungen im deutschen Wohnheim, wo die heißersehnte Tiefkühlpizza in Ermangelung eines Ofens auf dem Herd aufgewärmt wurde.
Mindestens zweimal im Jahr besucht Lena Gorelik ihre Geburtsstadt Sankt Petersburg, von den Einheimischen liebevoll "Piter" genannt, und natürlich ihre Verwandten. Den in "Verliebt in Sankt Petersburg" beschriebenen zweiwöchigen Trip macht sie jedoch nicht mit ihrem Freund Peter und auch nicht allein, sondern/denn dieses Mal nimmt sie ihren besten Freund Jost mit, was von Seiten der Verwandtschaft kritisch beäugt wird.
Besonders eklatant zeigen sich die Unterschiede der Kulturen in den Familienstrukturen: Mit einer mehr als emotionalen, sehr russischen Familie, die mehrmals täglich besorgt auf dem eigens dafür angeschafften russischen Handy anruft, um sich zu erkundigen, ob man auch genug gegessen habe, und bei der kulturellen Planung sowie der Taktung der Verwandtschaftsbesuche helfen will, ist eine turbulente Reise vorprogrammiert. Doch ohne sie und die russische Seele wäre das Leben nur halb so schön.
AVIVA-Tipp: Gewohnt kurzweilig, trocken-humorvoll, authentisch, melancholisch, emotional, präzise, leicht und tief zugleich schreibt Lena Gorelik als Beobachterin unter BeobachterInnen. Sie ist mit ihrem ganzen Herzen sehr nah dran. Abgerundet wird dieses persönliche Reisebuch von hilfreichen Do´s und Don´ts für Sankt Petersburg, die durchaus als unentbehrliche Survival-Guidelines verstanden werden dürfen. Lena Gorelik versteht es mehr als jede/r Andere, Klischees zu entlarven und gleichzeitig liebevoll mit ihnen zu spielen.
Zur Autorin: Lena Gorelik, geboren 1981 in Sankt Petersburg, kam 1992 zusammen mit ihrer russisch-jüdischen Familie als "Kontingentflüchtling" nach Deutschland. Im Anschluss ihrer Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München absolvierte sie den Elitestudiengang "Osteuropastudien". Ihr erster Roman Meine weißen Nächte (erschienen im Herbst 2004) wurde vom Magazin bücher als "der beste neue Roman über Deutschland und [als ein] absolut hinreißendes Buch" gelobt und mit dem Bayerischen Kunstförderpreis 2005 in der Sparte Literatur ausgezeichnet. (Quelle: Verlagsinformation)
Lena Gorelik
Verliebt in Sankt Petersburg
Meine russische Reise
SchirmerGraf Verlag, erschienen März 2008
ISBN 978-3-86555-054-5
176 Seiten
Euro 17,80