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Beitrag vom 08.04.2008
Shopping Malls und neue Einkaufszentren. Von Prof. Dr. Kerstin Dörhöfer
Yvonne de Andrés
Urbaner Wandel in Berlin: Shopping Malls werden vorwiegend von Frauen besucht. Eine Studie unter Berücksichtigung der Genderaspekte über urbanen und sozialen Wandel in der Hauptstadt.
Kerstin Dörhöfer wurde 1997 zu dieser Untersuchung angeregt. Im Frauenbeirat der Stadtentwicklungsbehörde Hamburgs gab es zum neuen Bautyp "Shopping Malls" unterschiedliche Auffassungen. In Meinungsbefragungen war herausgekommen, dass Hamburgerinnen den Bau der Shopping Malls ganz unterschiedlich beurteilten. Während für Mütter mit Kindern praktische Aspekte im Vordergrund standen, so vor allem das gebündelte Angebot an einem Ort, befürchteten Alleinstehende eher den Verlust von Vielfalt der Angebote in ihren wohnungsnahen Innenstadtbereichen. Angeregt durch diese Auseinandersetzung begann die Autorin in 2004 mit ihrer Analyse in Berlin. Seit dem Fall der Mauer sind in Berlin aufgrund der veralteten Einkaufsstruktur im Westen und der Unterversorgung von Geschäften im Osten über 35 Shopping Malls entstanden.
Kerstin Dörhöfer wollte wissen, ob alle Shopping Malls sich wirklich gleichen, welche Auswirkungen ihr Bau auf die Stadtkultur hat, wer dort tatsächlich einkauft und welche architektonischen Stile die Malls prägen. Sie erforschte die lokalspezifischen Besonderheiten in Berlin und stellt zehn Shopping Malls vor. Dabei geht sie auch auf die unterschiedlichen Entstehungszeiträume ein.
Das aufregende Ergebnis ihrer Untersuchung ist die Erkenntnis, dass zwei Drittel der Besucherschaft von Shopping Malls weiblich sind. Dies gilt auch für das Verkaufs- und Reinigungspersonal. Die Angebote der Geschäfte richten sich vorwiegend an Frauen. "Die Shopping Mall ist folglich keine geschlechtsneutrale Einrichtung, sondern durch die überwiegende weibliche Besucherschaft ein Frauenraum".
"A woman´s place is in the mall" heißt es in einem Aufsatz der gender- und diversity Spezialistin Dory Reeves über "Women Shopping". Kerstin Dörhöfer stimmt dieser Aussage nur bedingt zu. Die Anordnung der bunten Warenwelt und der Dienstleistungen in den "Einkaufsparadiesen", die von der Autorin in Berlin untersucht wurden, ist immer die gleiche. Im Erdgeschoss befinden sich die Modegeschäfte, im 1. Obergeschoss werden Angebote für die Pflege des Körpers feilgeboten und im Untergeschoss sind Supermärkte, Discounter und weitere Angebote aus dem Lebensmittelbereich angesiedelt. Auch die Lage des "Magnet Stores" gleicht sich überall. Unterschiede werden lediglich in der Architektur und dem Publikum sichtbar.
Die Untersuchung bringt zum Vorschein, dass Frauen das Einkaufen und Verweilen in der Shopping Mall bevorzugen, weil dort alles an einem Ort zu finden ist. Je nach Alter, Beruf und persönlicher Situation differenziert sich dieses Motiv noch etwas weiter aus. Frauen mit Kindern schätzen das saubere und gefahrenfreie Einkaufen. Auch die Kinderbetreuung wird gerne angenommen. Frauen sind auch die häufigsten Besucherinnen von Restaurants und Imbiss-Ständen, mit Ausnahme des Bierstandes. Von den Verpflegungsangeboten wird besonders das Eiscafé von Frauen gut angenommen. Achtzig Prozent der KundInnen sind Frauen. In den Restaurantbetrieben der Shopping Malls dominieren allerdings nicht die jungen berufstätigen Frauen, sondern zumeist Rentnerinnen. Für sie sind diese Orte attraktiv, denn sie können so der lästigen täglichen Kocherei und dem Alleinsein in der Wohnung entrinnen. Für jüngere berufstätige Frauen bietet die Shopping Mall hauptsächlich die effiziente Erledigung und den "Erlebniskauf".
"Ist dieser Bautyp vielleicht sogar Raum und Symbol weiblicher Emanzipation am Ende des 20. Jahrhunderts?" fragt die Autorin nach. Kerstin Dörhöfer stellt fest, dass dies nur teilweise zutrifft, denn Emanzipation heißt Befreiung von Zwängen und Abhängigkeiten, Selbstbestimmung und individuelle Entfaltung. Dies wird durch die Architektur der Malls – Ruhezone, Brunnenanlagen - nur sehr ungenügend eingelöst. Durch die Inszenierung der Architektur und des Innenraumes wird das Verhalten der KundInnen gelenkt und manipuliert. Flanieren und Verweilen stehen nicht im Vordergrund: "Das Denken wird beschränkt auf Konsumzusammenhänge". Die Investoren, PlanerInnen und Center-Manager reagieren zwar auf die Konsumbedürfnisse von Frauen, in der Schaffung stilisierter Traumwelten und imaginierter Sehnsüchte bedienen sie sich jedoch vornehmlich die Stereotypen, die mit den Geschlechtern verbunden sind. Der schöne Schein trügt. Standardisierung, Sterilität und Scheinwelten homogenisieren die Malls und verströmen Langeweile, die durch Scheinwelten, Veranstaltungen und Events aufgelockert werden. Hier werden schlicht traditionelle Geschlechterrollen übernommen und daher männliche Herrschaft zementiert.
Zur Autorin: Prof. Dr. Kerstin Dörhöfer, wurde 1943 in Radebeul/Dresden geboren. Sie hat an der TU Berlin und der TH Wien Architektur studiert. Von 1969 bis 1973 war sie als freie Mitarbeiterin und selbständige Architektin für Hoch- und Städtebauprojekte in Berlin tätig. Es folgte ihre Promotion zur Dr.-Ing. für Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin. Seit 1986 lehrt sie als Professorin für Architektur und Urbanistik an der Universität der Künste Berlin. Im Rahmen der EXPO 2000 hat Kerstin Dörhöfer als Key-Professorin in der Internationalen Frauen Universität über "gender and space" geforscht. Ihr bekanntestes Buch erschien 2004 "Pionierinnen in der Architektur". Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen: Theorie und Geschichte von Architektur und Städtebau, Wohnungsbau und Stadtplanung, Shopping Malls und neue Einkaufszentren, Geschlechterverhältnisse und Raumstrukturen, Werke von Architektinnen.
AVIVA-Tipp: Prof. Dr. Kerstin Dörhöfer bietet mit ihrer Studie sowohl architektonisch, stadtplanerisch und soziologisch viele interessante Einsichten zum Thema Shopping Malls an. Wer wissen möchte, wie sich das Einkaufen in den verschiedenen Zentren oder Randlagen von Berlin unter Berücksichtigung der Genderaspekte verändert hat, erhält hier eine gute Übersicht.
Prof. Dr. Kerstin Dörhöfer
Shopping Malls und neue Einkaufszentren
Urbaner Wandel in Berlin
Dietrich Reimer Verlag, erschienen März 2008
gebunden - 189 Seiten, 162 Farb - und 8 s / w - Abbildungen
ISBN: 9783496013846
29,90 Euro
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