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Beitrag vom 16.06.2008
Mirjam Müntefering – Tochter und viel mehr
Silvy Pommerenke
Wir alle sind jemandes Sohn oder Tochter. Kindern von Prominenten ist dies allerdings oftmals eine unliebsame Tatsache, weil die Medien sie scheinbar nur wegen der Eltern in ein bestimmtes Schema...
...pressen wollen – oder müssen, wegen der Auflagenzahl - und nicht wegen der persönlichen Leistungen bewerten.
Um den ewigen Fragen nach "Sind Sie nicht die Tochter von ...?" Einhalt zu gebieten, hat sich Mirjam Müntefering mit einer Art Autobiographie freigeschrieben. Es ist tatsächlich "nur" eine angerissene Vita, denn sie wird diejenigen unzufrieden zurücklassen, die sich von dieser Lektüre sensationsheischende intime Einblicke in das Leben einer Politikertochter erhoffen. Was die Geschichtenerzählerin stattdessen geschrieben hat, ist eine extrem kurzweilige, witzige, spannende und dennoch informative Lektüre.
Mirjam Müntefering, geboren 1969, absolvierte ein Studium der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, hatte aber bereits als Teenager klar vor Augen, dass sie Schriftstellerin werden wollte. Oder Raubtierdompteurin. Oder Menschenaffenforscherin im Format einer Dian Fossey. Klein waren ihre Lebensziele nie, ohne dabei jedoch all zu sehr nach elitären Sternen greifen zu wollen. Natürlich schwebte ihr im zarten Alter von zwölf Jahren mindestens eine Auflagenzahl der einer Bibel vor – aber mal ehrlich, wer hat solche Träume nicht in der Kindheit?
Die Stückzahlen der heiligen Schrift hat sie zwar nicht erreicht, dafür aber einiges mehr. Die Zeilen ihrer mehr als zweihundert Seiten langen "autobiographischen Reise" zeigen ein Portrait von einer integeren Frau, die vor allem zwei Leidenschaften hat: Hunde und Schreiben. Oder Schreiben und Hunde? Mirjam Müntefering überlässt keinem dieser beiden Lebensbereiche mehr Raum, sondern verteilt sie paritätisch über die 24 Stunden eines Tages. Selbst als Nicht-Hunde-Fanatikerin werden der Leserin liebevolle Geheimnisse dieser Leidenschaft mitgeteilt, und auch die Nicht-Schriftstellerin sieht vor allem eines in den Beschreibungen der 39-Jährigen: Ein er- und ausgefülltes Leben, das ohne die "Beste Lebensgefährtin von allen" und zwei Cocker-Spaniels kaum denkbar wäre. Es ist umsäumt von intensiven Freundschaften und der Zuneigung zu Tieren (insbesondere zu Hunden), zeigt eine unbändige Neugier der Autorin an ihrer Umwelt und den permanenten Drang neue Geschichten zu (er)-finden.
Das Besondere an dieser Autobiographie ist, dass sie nicht im klassischen Erzählstil niedergeschrieben ist, sondern die Autorin hat - deswegen auch der Untertitel "eine autobiographische Reise" -, ihr Leben in eine Geschichte gepackt, die so vielleicht geschehen, aber vermutlich doch eher der Phantasie der Schreiberin entsprungen ist. Während man als LeserIn der Rahmenhandlung neugierig folgt, werden etliche autobiographische Details von Müntefering eingeflochten, so dass man am Ende gar nicht mehr weiß, ob dies nun ein Roman oder eine Autobiographie war. Wie auch immer, so ist Müntefering eine Meisterin der Unterhaltungsliteratur, und das im besten Sinne des Wortes. Wie gesagt, wer mehr vom vermeintlich elitären und aufregenden Leben einer Politikertochter erhofft hätte (die kochen schließlich auch nur mit Wasser und haben ein Privatleben, das sich kaum von dem anderer Menschen unterscheidet), wird in und zwischen den Zeilen vergeblich danach suchen. Und jetzt die große Frage: Wenn die einzelne von uns eine Autobiographie schriebe, und wir alle mit uns ins Gericht gingen, wieviel Raum würden die Eltern dort eigentlich einnehmen? Mit Sicherheit - bis auf wenige Ausnahmen -, nur einen geringen, denn spätestens mit dem postpubertären Alter geht jede/r einzelne von uns seinen und ihren ganz eigenen Lebensweg, und der hat mit den Eltern oftmals sehr wenig zu tun ...
Weiterlesen: "Wenn es dunkel ist, gibt es uns nicht" von Mirjam Müntefering und "Unversehrt", ebenfalls von Mirjam Müntefering
Mirjam Müntefering im Netz: www.mirjam-muentefering.de
AVIVA-Tipp: Für einen extrem leserInnenfreundlichen Preis von unter zehn Euro erhält man einen Einblick in das Leben von Mirjam Müntefering, die in der Tat wesentlich mehr ist als nur "Tochter von ...". Den meisten ihrer LeserInnen dürfte sie sowieso eher als spannende Geschichtenerzählerin bekannt sein, die sowohl Kinder-, Jugend- als auch Erwachsenenromane in großer Zahl veröffentlicht hat. Das Besondere an diesem autobiographischen Bericht ist, dass Müntefering (die Betonung liegt übrigens auf dem zweiten "e"!) nicht spröde eine chronologische Lebensbeschreibung abgibt, sondern dass sie Details ihrer Vita in eine amüsante kleine Geschichte einbindet. Sie kann es einfach nicht sein lassen, die famose Fabuliererin.
Zur Autorin: Mirjam Müntefering, geboren 1969, studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, volontierte und arbeitete einige Jahre fürs Fernsehen. Im Jahr 2000 entschied sie sich jedoch gegen die journalistische Karriere und fürs Schreiben und Hunde. Sie lebt als Romanautorin und Trainerin in ihrer eigenen Hundeschule in Hattingen im Ruhrgebiet. Zuletzt erschienen ihre Romane "Luna und Martje", "Emmas Story", "Jetzt zu dritt", "Unversehrt" und der autobiographische Bericht "Tochter und viel mehr". (Quelle: Verlagsinformationen)
Mirjam Müntefering
Tochter und viel mehr –
Eine autobiographische Reise
Piper Verlag, erschienen Mai 2008
Broschiert, 240 Seiten
mit 8 Seiten farbigem Bildteil
ISBN: 9783492251280
7,95 Euro