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Beitrag vom 01.05.2008
Sari Nusseibeh – Es war einmal ein Land
Silvy Pommerenke
Der arabische Universitätsprofessor und Philosoph erzählt seine Autobiographie, die geprägt ist von einer kosmopolitischen Erziehung, der Liebe zu seinem Land und...
...dem schwierigen israelisch-palästinensischen Konflikt, dessen Ende noch lange nicht absehbar ist.
Bewusst hat der viel belesene Mann seinem Buch einen Titel gegeben, der an eine Märchenerzählung erinnert. Die Ausgangsidee war, dass er in den sechziger Jahren seiner angehenden Frau Lucy - Engländerin und Tochter eines britischen Gelehrten -, ein Märchen erzählen wollte. Dieses begonnene aber nie zuende geschriebene Vorhaben webt Nusseibeh immer wieder in seine Lebenserinnerungen ein, gibt damit dem Ganzen einen literarischen Beigeschmack, und verbindet damit den Traum des friedlichen Zusammenlebens von Israelis und PalästinenserInnen.
Ausgehend von den Sechzigern, als er und Lucy in Oxford studierten, schildert der Autor den Konflikt zwischen den beiden Völkern um ein Land. Seine ungewohnte, weil palästinensische Sichtweise, der immerwährende Versuch mit pazifistischen Mitteln eine Koexistenz von Juden und Moslems, von Israelis und AraberInnen zu ermöglichen, seine gescheiterten Verhandlungen als Friedensvermittler in Oslo, Camp David und Jerusalem, die unermüdlichen Bemühungen, FanatikerInnen auf beiden Seiten mit Worten und konstruktiven Lösungsvorschlägen zu einem Frieden zu bringen, sind erstaunlich. Gleichzeitig zeichnet Nusseibeh die Verschärfung des Konfliktes auf heiligem Boden nach, die von Gebietsannektion, Flucht und Vertreibung, Siedlungspolitik und Sperranlagen aber auch Wut, Hass und Verzweiflung, Steinewürfen bis hin zu Selbstmordattentaten gehen. Mit jedem Opfer, mit jeder Scud-Rakete und jeder selbstgebastelten Bombe scheint der Schritt Richtung Frieden in weitere Ferne zu rücken.
Der Autor lässt in seinen Memoiren seine Verehrung vor israelischen LiteratInnen wie beispielsweise Amos Oz ebenso durchscheinen, wie seine Bewunderung für arabische, europäische und amerikanische PolitikerInnen und Intellektuelle, die ihn vor allem wegen ihrer philosophischen Weit- und Rücksicht, des analytischen Denkens und Scharfsinns beeindrucken. All diese Menschen vereint vor allem eines miteinander: Sie geben die Hoffnung nicht auf, dass die Menschheit friedlich miteinander existieren kann.
Weiterlesen: Amos Oz "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis".
AVIVA-Tipp: Sari Nusseibeh setzt sich mit dieser autobiographischen Erzählung nachhaltig für den Frieden zwischen Israelis und PalästinenserInnen ein. Dabei zeichnet er die Entwicklung des Konfliktes der letzten sechzig Jahre nach, der auf beiden Seiten zu unzähligen Opfern, zur Bildung von radikalen Gruppierungen und zur Verhärtung der Fronten geführt hat. Trotz allem aber auch zu immerwährenden Bemühungen, die Menschen in Richtung Frieden zu führen, auch wenn Sari Nusseibeh am Ende seiner fünfhundert Seiten einen Hauch von Resignation erklingen lässt.
Zu den Autoren
Sari Nusseibeh, geboren 1949, ist seit 1995 Präsident der Al-Quds-Universität, der einzigen arabischen Universität in Jerusalem, an der er auch Philosophie lehrt. Von 2001 bis 2002 war er Statthalter der PLO in Jerusalem und ist seit Jahren auf vielfältige Weise in den Friedensprozess involviert. Er lebt mit seiner Familie in Jerusalem. 2003 wurde er mit dem Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte ausgezeichnet. (Quelle: Verlagsinformationen)
Anthony David ist Autor des Buches "The Patron: A Life of Salman Shocken, 1877-1959" und Herausgeber der Briefe und Tagebücher von Gershom Sholem. (Quelle: Verlagsinformationen)
Sari Nusseibeh
Es war einmal ein Land
Ein Leben in Palästina
mit Anthony David
Originaltitel: Once upon a Country. A Palestinian Life.
Aus dem Englischen von Gabriele Gockel, Katharina Förs und Thomas Wollermann
Verlag Antje Kunstmann, erschienen März 2008
Gebunden, 526 Seiten
ISBN: 978-3-88897-510-3
24,90 Euro