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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 24.01.2008


Nicole Nottelmann - Die Karrieren der Vicki Baum
Yvonne de Andrés

Durch die Drehtür des Erfolgs tritt 1928 Vicki Baum bei Ullstein ein. Ihre Romanheldinnen verkörpern den neuen modernen Frauentypus und versprechen Tempo, Liebe und gute Unterhaltung




1926 kommt Vicki Baum in Berlin an. Wien, Kiel, Hannover und Mannheim liegen bereits hinter ihr. Sie ist zum zweiten Mal verheiratet. Ihr Mann, Generalmusikdirektor Lert, und ihre zwei Söhne leben noch in der deutschen Provinz, mit der sie bereits endgültig abgeschlossen hat. Die Viermillionenmetropole Berlin pulsiert. Koenigsalle 45, Berlin-Grunewald in der Nähe des Dianasees lautet ihre Adresse. Nach Redaktionsschluss erkundet sie die Nacht: "Berlin ist so herrlich lebendig, so geladen mit einer seltsamen Elektrizität." Im Zentrum der Nachrichtenproduktion bei Ullstein besitzt Vicki Baum einen Schreibtisch. Schlagfertig, wortwitzig schreibt sie viele Reportagen in den ersten beiden Jahren. Vicki Baum wollte: "Geschichten erzählen von Heute."Sie startete als Schriftleitung der Dame-Literaturbeilage Die losen Blätter. Nottelmann berichtet: "Bei Ullstein vertiefte die Baum ihre Kenntnisse des journalistischen Handwerks, schärfte ihre Wahrnehmung, ihren Blick für Menschen, Situationen und alltägliche Details und verfeinerte die Kunst der Pointierung."

Vicki Baum machte im Hause Ullstein schnell Karriere als Redakteurin und schrieb für die "Berliner Illustrirte Zeitung", "Die Dame" und "Uhu". Mit ihrem Eintritt unterschrieb sie auch einen Exklusivvertrag über alle "Werke erzählenden Inhalts bis zum Ablauf des Jahres 1930." Ihr neuer Roman "Stud. chem. Helene Willfüer" wird durch Vorabdruck, Werbung und der Behandlung des brisanten Themas Abtreibung ein riesiger Erfolg. "Der Roman wirkte auch deshalb so glaubwürdig, weil sich in den Kernaussagen des Buches die eigene Überzeugung widerspiegelte", schreibt Nicole Nottelmann. Baum wird von den Ullstein-Medien systematisch zur Marke aufgebaut. Fortsetzungsromane, Reportagen über Vicki Baum und ihr erster Ullstein-Roman in Buchform, "Der Eingang zur Bühne", lassen auf ein ausgeklügeltes System von Werbung und Vertrieb schließen, das die Auflagen klettern ließ und ihre Popularität steigerte.

Mit dem Erscheinen der Fortsetzungen und der Buchausgabe von "Menschen im Hotel" 1929 stand Baum dann im Zenit ihres Schaffens und wurde ein internationaler Star. "Menschen im Hotel" wurde ins Englische übersetzt und 1932 wurde die Verfilmung ("Grand Hotel") mit Greta Garbo in der Hauptrolle der weltweit erfolgreichste Film. Ihre Entscheidung war gefallen: "Ich will meine Söhne zu Amerikanern erziehen". Dies tat sie auch. Sie zog mit Mann und den zwei Kinder nach Hollywood und kehrte nicht mehr nach Berlin zurück.

Nicole Nottelmann zeichnet das Portrait einer ungewöhnlichen Frau sehr plastisch. Da ist zunächst das jüdische Milieu in Wien zwischen depressiver kunstsinniger Mutter und einem autoritärem Vater. Das Leben führt Baum zunächst auf die Bühne der Musik und dann hinter die Schreibmaschine. Nottelmann bietet uns umfangreiche Einblicke in das Schreiben und Arbeiten von Baum: "Mit ihren Buchbesprechungen gelang es ihr, zwei höchst unterschiedliche Rollen in Einklang zu bringen, die der naiven Bewunderin und die der kühl-distanzierten Betrachterin." Und sie ergänzt: "In ihren Romanen fängt Baum meisterhaft die Doppelgesichtigkeit des Lebens ein. In ihrer Literatur sind Realität und Illusion, Komik und Tragik stets untrennbar verwoben."

Frau Nottelmann hält "Menschen im Hotel", wegen der Verwendung der "group novel", die sie berühmt machte, für sehr lesenswert. "Zahlreiche Figurenkonstellationen werden durch kunstvolle Verknüpfungen – insbesondere parallele Charakterisierung – hergestellt, ohne dass eine Zentralfigur existiert." Die Biographie bietet interessante und farbenfrohe Einblicke in Vicki Baums Karriere. Die Ankunft in Kalifornien, die Begegnungen mit unterschiedlichsten Intellektuellen, ihre fast 15 jährige Arbeitet für die Hollywood-Studios. 1935 wurden ihre Bücher in Deutschland verboten. Zahlreiche Reisen führen sie nach Ägypten, Mexiko, China und Bali. Sie nahm 1938 die amerikanische Staatsbürgerschaft an und schrieb ab dann nur noch auf Englisch. 1960 starb sie in Los Angeles an Leukämie. Posthum erschien 1962 ihre Autobiographie "Es war alles ganz anders".

Zur Autorin: Nicole Nottelmann, geboren 1967, hat Journalistik und Germanistik studiert und mit einer Arbeit über das literarische Werk Vicki Baums ("Strategien des Erfolgs", Würzburg, 2002) promoviert. Sie lebt in Köln und Berlin.

AVIVA-Tipp: Die Biographie stellt uns Vicki Baum als eine ambitionierte und emanzipierte Frau vor. Pragmatisch, professionell, pointiert arbeitet sie an ihrer Karriere. Nicole Nottelmann hat eine weit abgesteckte großartige Biographie mit vielfältigen Details vorgelegt. Es lohnt sich, Vicki Baums Romane neu zu entdecken oder das umfangreiche Quellenverzeichnis als Anregung zur weiteren Lektüre zu verwenden. Sehr lesenswert!

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Nicole Nottelmann
Die Karrieren der Vicki Baum

Mit zahlreichen Fotos
Kiepenheuer & Witsch erschienen Februar 2007
Gebunden, 441 Seiten
ISBN: 978-3462037661
22,90 Euro



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Beitrag vom 24.01.2008

Yvonne de Andrés