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Beitrag vom 17.08.2007
Kerstin Duken - Jahrhundertsommer
Silvy Pommerenke
Etwas Ungeheuerliches geschieht im Leben der erfolgreichen Iris, die als Strategin im New Business einen vielversprechenden Job in Aussicht hat. Ihr größter Traum ist ein Porsche 911 Cabrio,...
... auch wenn sie zur Zeit nur einen Motorroller fährt. Aber zum großzügig geschnittenen Loft in Berlin Schöneberg, Designeranzügen und zum Besuch von edlen Etablissements hat es schon gereicht. Sie ist überzeugter Single und hat zuvor in der Werbung und als Kundenberaterin in einer Agentur gearbeitet. So weit, so gut.
Dann aber gibt es für sie "drei Minuten, die [sie] am liebsten ungeschehen machen möchte". Ein Überfall in einem dunklen Kreuzberger Hinterhof wirft sie aus der Bahn und aus dem Leben. Wie und ob sie mit diesem Trauma fertig wird, schildert Kerstin Duken in ihrem Debutroman auf eindringliche Weise. Dabei handelt es sich nicht etwa um einen Betroffenheitsroman, wie der Plot vielleicht vermuten lässt, sondern die Autorin entwickelt ein tiefgründiges und fragiles Panoramabild der Protagonistin. Sie gewährt der LeserIn Einblicke in den Überlebenskampf Iris`, der oftmals einer Gratwanderung gleicht. Er ist geprägt von Ups and Downs, von Verzweiflung und Autoaggression, nicht zuletzt von philosophischer Auseinandersetzung über das Sein des Menschen.
Daneben gehört auch das Spielen mit Genderrollen zum Plot, Gerichtsalltag in Moabit, Partygehabe von aufstrebenden Stars und Sternchen und den kleinen Kämpfen im Supermarkt, Spätkauf oder mit Asphaltcowboys. Nicht zu vergessen alle möglichen Varianten des Liebeslebens, das - im Falle Iris` - keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen macht. Allerdings sind ihre Affairen oder One-Night-Stands von etlichen Problemen begleitet, die einer glückenden Beziehung im Wege stehen.
Neben diesen menschlichen Schicksalen ist in dem Roman der Schauplatz Berlins zwischen 2002 und 2006 in manchmal farbenfrohen, aber auch melancholischen Bildern gezeichnet. Ein temporeiches Werk, dass das Leben und die Spreemetropole in all seiner Vielfältigkeit widerspiegelt. Auffallend ist vor allem Dukens Umgang mit Sprache. Sie lässt Sätze fallen wie "Schnittmuster des Lebens" oder "Es gibt keinen Lehrplan des Lebens, wenn das Rückgrat gebrochen ist.". Allein dafür lohnt sich die Anschaffung dieses wunderbaren Romans!
Zur Autorin: Kerstin Duken hat unter 1.600 Einsendungen die Jury des Brigitte-Romanpreises in diesem Jahr von sich und ihrem Erstlingswerk überzeugt. Ein brillantes Debut, das zurecht von den JurorInnen Juli Zeh, Birgit Vanderbeke, Wladimir Kaminer und anderen ausgezeichnet wurde. Die Autorin ist 40 Jahre alt, arbeitet als Werbetexterin, und lebt in Berlin.
AVIVA-Tipp: Beim Lesen Kerstin Dukens Debutromans gerät man in einen unwiderstehlichen Sog, der das Weglegen des Buches fast unmöglich macht. Die Autorin verarbeitet auf höchstem literarischen Niveau einen Stoff, der sich auf den ersten Blick nur schwerlich für einen Roman eignet. Auf den zweiten Blick aber, beginnend mit der ersten Seite des Buches, ist dies genau der Stoff, aus dem erstklassige Romane gemacht werden!
Kerstin Duken
Jahrhundertsommer
Goldmann Verlag, erschienen August 2007
ISBN: 3442311616
Euro 17,95
Gebunden - 283 Seiten