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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 17.04.2014


Mimi Sheffer - Ode to David Eisenstadt
Sarah Ross

Die Sängerin und Kantorin ist schon seit vielen Jahren als Interpretin synagogaler Musik auch weit über die Grenzen Berlins hinaus bekannt. Mit ihrer CD geben sie und The Warsaw Singers nun auch ...




... den Werken des Komponisten David Eisenstadt neues Leben.

Wer die in Israel geborene und aufgewachsene, nun in Berlin lebende Kantorin und Sängerin Mimi Sheffer kennt, weiß, dass sie es sich zum Ziel gesetzt hat jüdische Kultur – und hier vor allem synagogale Musik – neu zu beleben und diese in einen aktuellen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu stellen. Diesem Ziel ist sie mit ihrer aktuellen CD wieder ein ganzes Stück näher gekommen. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf Musik, die aus der Feder von Komponisten wie Paul Ben-Haim, Samuel Adler, Herbert Fromm und anderen stammt, welche aufgrund der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ihr Leben in Europa aufgeben mussten, sich jedoch ins Exil retten konnten. Dort haben sie die Traditionen europäisch-jüdischer Synagogalmusik mit neuen Elementen verbunden und weiterentwickelt. Mit "Ode to David Eisenstadt" nimmt Mimi Sheffer nun auch einen Komponisten in den Kanon jener jüdischen "Exil-Komponisten" auf, der die Shoa nicht überlebte.

Sheffer widmet ihr Album dem Komponisten, Dirigenten, Arrangeur und Musikpädagogen David Eisenstadt (1890-1942), welcher mit seiner Frau und Tochter – der berühmten Sängerin Miriam Eisenstadt (Marysia Ajzensztadt, die sogenannte "Nachtigall des Ghettos", 1921-1942) – im Warschauer Ghetto gefangen war und schließlich in Treblinka ermordet wurde. Obwohl einige von Eisenstadts Arrangements heute zum Repertoire einiger jüdischer Chöre zählen, wurde nur ein kleiner Teil seiner Kompositionen zu seinen Lebzeiten veröffentlicht, von denen die meisten mit der Zerstörung des Warschauer Ghettos verschwanden. Nur eine Handvoll seiner Werke haben die Shoa überlebt, so etwa seine Vertonung des berühmten Gedichtes "L´cha Dodi" (Track Nr. 1), des kurzen Gebetes "Hayom Harat Olam" (Track Nr. 6) und seine Komposition "Sh´chula Achula" (Track Nr. 10).

Zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg war David Eisenstadt einer der berühmtesten jüdischen Musikschaffenden in Polen. Nicht nur als Komponist, sondern vor allem auch als Direktor und Dirigent des Chors der Großen T³omackie-Synagoge in Warschau hat Eisenstadt sich über die Stadtgrenzen hinaus verdient gemacht. Neben jüdischer Sakralmusik war der Chor auch für die Interpretation nicht-jüdischer Werke bekannt, so etwa von Klassikern wie Bach, Händel und Haydn. Eisenstadt trat auch bei den Warschauer Philharmonikern auf und machte Aufnahmen für das polnische Radio. Vor allem aber ist sein Name untrennbar mit der Gründung des jüdischen Symphonieorchesters und Chors im Warschauer Ghetto verbunden, dessen unbestrittener Star seine Tochter Miriam war.

Neben dem sehr informativen und ausführlichen Booklet über Leben und Werk Eisenstadts und mehr, welches von dem bekannten Musikwissenschaftler und Kantor Prof. Eliyahu Schleifer geschrieben wurde, überzeugt das Album sowohl durch eine wohldurchdachte Auswahl der elf Stücke, wie auch durch eine feinsinnige Einspielung der Werke. Durch die Einbettung von Eisenstadts Kompositionen in weitere synagogale Werke von Paul Ben Haim, Herbert Fromm, Kurt Weill, Max Janowski, Samuel Adler, Max Helfman u.a. zeigt Kantorin Mimi Sheffer, unter Mitwirkung des Kammerchors The Warsaw Singers (unter der Leitung von Sebastian Gunerka) und des Organisten Mirlan Kasynaliev, wie synagogale Musik um die Mitte des 20. Jahrhunderts geklungen hat, welche musikalischen Konzepte dahinter standen. Mit ihrer Arbeit erweitert Sheffer nicht nur das Repertoire jüdischer Musik, das heute auf Europas Konzertbühnen zu hören ist, sondern vervollständigt vielmehr unser Wissen über jüdisch-liturgische Musik des 20. Jahrhunderts: wer hört, die/der lernt!

"Ode to David Eisenstadt" ist Teil von "Cilia – The Jewish Music Series" – einer Reihe von CDs, die sich komponierten Werken jüdischer Musik der Vorkriegszeit widmet, die von Musikerinnen und Musikern performt und eingespielt werden, welche sich auf dem Gebiet der jüdischen Musik spezialisiert haben. Ziel von Cilia ist es, ein Bewusstsein für jene unbekannten oder in Vergessenheit geratenen Werke jüdischer KomponistInnen zu schaffen, diese zu dokumentieren, wiederzubeleben und in das klassische Repertoire europäischer Chöre, Symphonie- und Kammermusikorchester zu integrieren.

Über Mimi Sheffer: Mimi Sheffer wuchs in Israel auf. Nach ihrer Ausbildung in jüdischen Wissenschaften schloss sie ihr Studium als Flötistin an der Rubin Academy of Music in Jerusalem ab. Im Anschluss studierte sie klassischen Gesang an der Rubin Academy of Music in Tel-Aviv. Sie gewann den "Young Artist" Wettbewerb von "Kol Israel" (Radio Israel), zweimal den Preis der "Rubin Academy, Tel-Aviv" und war viermal Preisträgerin des "Amerika-Israel Cultural Foundation". Als Teilnehmerin des "Israeli Vocal Arts Institute" wurde Mimi Sheffer nach New York in Joan Caplans Studio eingeladen. Sie vertiefte ihr Können im Bühnen- und Interpretationsbereich unter Renato Capecchi, Nico Castel, Rita Loving, Alfredo Kraus, Vera Rozsa und Hilde Zadek.

Unter anderem sang Mimi Sheffer Opernrollen wie Mimi, Contessa, Michaela, Fiordiligi und Desdemona. Ihre Karriere als Kantorin begann Mimi Sheffer an der West-End-Synagogue in New York als fest angestellte Kantorin. Ihr Ruf verbreitete sich zunehmend, so dass sie in der berühmten Emanuel Synagogue in West Hartford amtierte. In Berlin war Mimi Sheffer als Kantorin in der Synagoge Oranienburger Straße angestellt und für die Entwicklung der jungen Gemeinde zuständig. Mimi Sheffer widmet sich interreligiösen Aktivitäten, leitet Workshops zu jüdischen Themen und Liturgie, tritt häufig anlässlich offizieller Veranstaltungen und bei eigenen Konzerten auf. Als Kantorin mit klassischer musikalischer Ausbildung in ganz Europa bietet Mimi Sheffer ein breites Spektrum ursprünglicher und höchst anspruchsvoller Programme an: sie ist spezialisiert in "cross-over" zwischen den verschiedenen Kulturen und Religionen und belebt kantorale und orchestrale Musik in Europa neu.
Mimi Sheffer ist eine der Stipendiatinnen der Stiftung Zurückgeben, die Projektzuschüsse an jüdische Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen vergibt.


AVIVA-Tipp: Eisenstadts Werke wurden an Mimi Sheffer als "neue Herausforderung in der Kantoralmusik" an sie herangetragen. Eine Herausforderung, die sie mit Bravour gemeistert hat. Mimi Sheffer – wie auch der Warschauer Kammerchor – überzeugen nicht nur mit Professionalität, sondern vor allem mit einer sehr einfühlsamen Interpretation von Eisenstadts und anderen Werken.

Ode to David Eisenstadt – Oda do Davida Eisenstadta
Cantor: Mimi Sheffer, The Wasaw Singer, Director: Sebastian Gunerka, Organist: Mirlan Kasymaliev

Cilia – The Jewish Music Series
Distribution by: Keshet – Jewish Music in Dialogue, The Artists´ Agency for Jewish Music, www.keshet.de
17,90 Euro

CD-Bestellung und weitere Informationen finden Sie unter: www.cilia-jewish-music-series.com und www.mimisheffer.com

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Cantorial Highlights 2 - Revival of Synagogue Music in Europe von Mimi Sheffer



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Beitrag vom 17.04.2014

Sarah Ross