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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 01.04.2007


Lieben und Lassen
Tatjana Zilg

In ihrer ersten Regiearbeit erzählt Susannah Grant (Drehbuch „Erin Brokovich“) die Geschichte einer jungen Frau, die sich nach dem plötzlichen Tod von ihrem Verlobten neu im Leben zurechtfinden muss




Einem sehr schwierigen Thema widmet sich die bisher als Drehbuchautorin erfolgreiche Amerikanerin: Dem unwiederbringlichen Verlust des Liebespartners. Sie schrieb das Drehbuch für ihr Regiedebut selbst und setzte sich zum Ziel, Drama und Komödie in einer neuartigen Weise zu verbinden. Der Film sollte keine melodramatische Schwere bekommen.

Die Hauptdarstellerin Jennifer Garner beschreibt die Bewegung auf dem schmalen Grat zwischen Komödie und Drama als Balance-Akt: "Man versucht, in jedem Moment so ehrlich wie möglich zu sein – und nicht zu stark in eine der beiden Richtungen zu schwanken. Das ist ähnlich wie mit einer guten Freundin zusammenzusein. In der einen Minute kann sie total ausflippen und in der nächsten lacht ihr euch beide halb tot – und heult immer noch weiter."

Freundschaft ist das Element in dem Film, das es Gray Wheeler (Jennifer Garner) ermöglicht, den Verlust ihres Verlobten Grady zu überwinden. Nach seinem Tod kann sie es sich finanziell nicht mehr leisten, in dem bisher gemeinsam gemieteten Haus in Boulder/Colorado zu wohnen.
Die gemeinsamen Freunde Sam (Kevin Smith) und Dennis (Sam Jaeger) bieten ihr an, bei ihnen einzuziehen. Sie nimmt kurzerhand an. Die Beiden versuchen, sie bei der Überwindung ihrer Trauer zu unterstützen. Aber noch eine vierte Person drängt sich in die Haus-WG: Fritz (Timothy Olyphant), Grady´s langjähriger bester Freund aus Kindheitstagen, ist zur Beerdigung aus Los Angeles angereist und möchte noch einige Zeit mit dem Freundeskreis verbringen. Gray reagiert darauf zunächst widerwillig, sie mochte Fritz bisher wegen seiner Casanova-Art nicht. Als er auf der Beerdigung scheinbar leichten Herzens mit einer Kellnerin flirtet, fühlt sich Gray in ihrer Meinung bestätigt.

Es dauert eine Weile, bis die Verbindung von Komödie und Tragödie so richtig gelingen will. Am Anfang wirkt der Umgang mit dem Tod des Freundes doch etwas zu leichtfüßig und das Wechselbad der Gefühle noch nicht wirklich authentisch. Es fällt teils schwer zu erkennen, dass hinter den lockeren Sprüchen und der übertriebenen Aktivität Hilflosigkeit im Umgang mit Tod und Trauer steckt. Die erste Wendung hin zu mehr Tiefe im Plot entsteht, als Gray merkt, dass ihr Verlobter einige Geheimnisse vor ihr hatte. Zögerlich erzählt Fritz ihr, dass Grady ein uneheliches Kind mit einer Masseurin hatte und für seinen Sohn regelmäßig Unterhalt zahlte.

Die Lacher fallen im ersten Teil des Filmes manchmal doch eher schwer. Eine Ursache könnte darin liegen, dass die Charaktere zu Beginn zu überzeichnet wirken: Fritz verführt bei der Beerdigung eine Kellnerin im Badezimmer. Die Geliebte von Grady, Maureen (Juliette Lewis), ist supersexy mit blonden, langen Haaren und knappem Mini und arbeitet als Masseurin. Der kleine 3jährige Sohn ist hyperaktiv und reißt beim ersten Besuch alle CDs aus den Wänden.
Es ist auch nicht wirklich überraschend, dass Gray sich nach einiger Zeit mit dem lebensfreudigen Fritz einlässt. Seit dem Fauxpax bei der Beerdigung benimmt er sich wie der perfekte Verehrer. Die Kamera macht es den ZuschauerInnen sehr einfach, mitzubekommen, dass er bis über beide Ohren in Gray verliebt ist. Und so einem charmanten, gutaussehenden Mann zu widerstehen, würde wahrscheinlich nicht nur Gray schwer fallen.

Aber bevor man sich über diese idealen Menschen so richtig zu ärgern beginnt und einem das Wort Hollywood-Klischee in den Sinn kommt, bekommen die Charaktere doch noch Ecken und Kanten, die sie interessant und sympathisch machen.
Gray muss damit fertig werden, dass die Affäre von Grady mit Maureen über die ganzen letzten vier Jahre neben ihrer eigenen Beziehung bestand. Die Freunde haben zuerst versucht, den ihr gegenüber verschwiegenen Sohn als Ergebnis eines einzigen Seitensprung-Wochenende darzustellen. Sie gesteht sich ein, dass weder Grady noch sie es in ihrer Partnerschaft je gewagt haben, sich dem anderen ohne Perfektions-Mantel zu zeigen. Sie beginnt, wie auch Dennis, Sam und Fritz, die Welt aus einem veränderten Blickwinkel wahrzunehmen.
Anstatt in Maureen einen Eindringling zu sehen, wird das Temperamentsbündel schnell zum willkommenen Gast in der Haus-WG und sorgt als "bunter Vogel", leicht auf dem Esoterik-Trip, aber nie politisch korrekt, für viel frischen Wind in den Verhaltensmustern der vier Freunde.
Natürlich wird auch die Beziehung zwischen Fritz und Gray noch gewaltig auf die Probe gestellt, bevor der sehr gelungene, rock-gitarren-lastige Soundtrack ein berührendes Happy End einleiten darf.

AVIVA-Tipp: Ein hübscher Film, der zwar keine melodramatische Tiefen erkundet wie andere Filme zum Thema Tod und Trauer ("Vier Hochzeiten und ein Todesfall", "Moonlight Mile", "Die Zeit, die bleibt"), aber auf leichte Art doch sehr feinsinnige Momente enthält, dabei durch die sich erst allmählich erschließenden Charaktere zum Nachdenken anregt und – wie der Titel andeutet – einfach ein ganz großes Ja zum Leben und der Liebe ist.

Lieben und lassen
Orginaltitel: Catch and Release

FSK: Ohne Altersbeschränkung
Regie und Drehbuch: Susannah Grant
DarstellerInnen: Jennifer Garner, Timothy Olyphant, Kevin Smith, Sam Jaeger, Juliette Lewis, Joshua Friesen, Fiona Shaw, Tina Lifford
USA 2006, 112 Min
Verleih: Sony Pictures
Kinostart: 26.04.2007

Die Website zum Film: www.lieben-und-lassen.de



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Beitrag vom 01.04.2007

AVIVA-Redaktion