SWASTIKA - The Devil Wears Brown - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kultur



AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 20.12.2010


SWASTIKA - The Devil Wears Brown
Sharon Adler

Der Film von Philippe Mora und Lutz Becker, uraufgeführt 1973 bei den Filmfestspielen in Cannes, ist seit November 2010 bei absolut MEDIEN auf DVD erschienen. Die Montage von NS-Archivaufnahmen...




...und Eva Brauns Home Movies entlarvt das perfide System besonders durch die banale Bildsprache:

Ein lächelnder Hitler, einer, der artigen blondbezopften Mädchen den Kopf tätschelt, der seinen Hund küsst und in aller Seelenruhe am Kaffeetisch sitzt, während die durch ihn und seine Schergen in Gang gesetzte Maschinerie Millionen von Menschen ermordet, ist nicht wirklich ertragbar. Und doch ist diese Produktion wichtig. Das auf abenteuerlichen Wegen zusammengetragene Recherchematerial zeigt vor allem den Menschen hinter der Fratze und damit den "Durchschnittsbürger", der zu allem fähig war und ist.

SWASTIKA beweist, dass es nicht Hitler allein war, der den Mord an Juden, Sinti und Roma, an Andersdenkenden durchgeführt hat. Die Aufnahmen der jubelnden, verzückten Masse Tausender Menschen erzeugt kalte Schauer auf der Haut der Zuschauerin, die sich angesichts dieser Bilder fragt, wie es diesem kleinen, hässlichen Mann mit der schnarrenden Stimme gelingen konnte, das deutsche Volk in seinen Bann zu ziehen. Mit dieser Frage hat sich auch Daniel Jonah Goldhagen in seinem Buch "Hitlers willige Vollstrecker" eingehend beschäftigt. Obwohl dessen Thesen umstritten waren, dürften auch Goldhagens schärfste KritikerInnen die Bereitwilligkeit der Deutschen zur Vernichtung der Juden nicht leugnen können, allem voran der antisemitische Jude Norman Finkelstein.

Vermenschlichung des Entmentschlichten

Der Maler und Filmemacher Philippe Mora, geboren 1949 in Paris, entstammt einer KünstlerInnenfamilie. Seine Eltern Morawski)Georges, Widerstandskämpfer in der Résistance, wurde in Melbourne ein einflussreicher Kunsthändler und gründete 1967 eine der ersten kommerziellen Galerien, die Tolarno Galerien.

Mit SWASTIKA hat Philippe Mora bisher unveröffentlichtes Material aufbereitet, das größtenteils aus der Kamera Eva Brauns stammte, und es mit Original-NS-Propagandamaterial montiert.
Die Uraufführung 1973 bei den Filmfestspielen in Cannes musste abgebrochen werden, Stühle flogen Richtung Leinwand – die Idee, den Menschen Hitler zu sehen, wurde vom Publikum einhellig und lautstark abgelehnt.

Die unkommentierte Kombination von KZ-Aufnahmen, Hitlers Reden und öffentlichen Auftritten, Massenaufmärsche, Eva Brauns Home Movies auf dem Obersalzberg und Interviews mit Hitlers willigen Helfern wurde unterlegt mit Wagner und Beethoven. Dieser Pathos, und das ist auch die Gefahr dieser Montage, kann leicht missverstanden werden, kann, wenn der Film in den falschen Kreisen kursiert, erneut zu Euphorie für ein unmenschliches System und seinen Führer (ver)führen.

AVIVA-Fazit: Ohne Zweifel hält SWASTIKA für das wissende Publikum aufschlussreiche Details über das Privatleben Hitlers bereit. Auch das Bonusmaterial lohnt den genauen Blick, besonders das Filmgespräch der Filmemacher.
Bedenklich wäre es jedoch, den Film kommentarlos in Schulen zu zeigen. Denn Hitler muss als das gesehen werden, was er war. Ein Mörder.

Swastika
Ein Film von Philippe Mora

Montage von Originalaufnahmen aus Nazideutschland
ISBN: 978-3-89848-530-2
Best. Nr.: 530
Preis: Euro 19,90
EAN: 978-3-89848-530-2
Verleih: absolut MEDIEN
Regie: Philippe Mora
Buch: Philippe Mora, Lutz Becker
Recherche: Lutz Becker
Schnitt: Andrew G. Patterson
Produktion: David Puttnam, Sandy Lieberson
Produktions-Land+Jahr: Großbritannien, 1973
Musik: Richard Wagner, (Auszüge aus: Parsifal, Tannhäuser, Siegfried-Idyll, Die Meistersinger, Faust), Beethoven
Lied von: Noel Coward: Don´t Let´s Be Beastly To The Germans, Helen Morgan: What Would I Do For That Man?
DVD 9 codefree, PAL, Farbe + s/w, 4:3, Ton: Dolby Stereo, 93 Min. + 66 Min. Bonus. Englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln

Bonusmaterial:
1. Der Historiker Jonathan Petropoulos über SWASTIKA
2. SWASTIKA Revisited (SWASTIKA im Rückblick) – Die Filmemacher im Filmgespräch
3. BBC-Interview 1973 mit Lutz Becker und Albert Speer
4. Manipulation und Nazi-Propaganda
5. Farbfilm im Dritten Reich
(Alle Filmgespräche deutsch untertitelt)
6. Abschied vom Mythos Leni Riefenstahl (Audiofile, nur Englisch)

Originalaufnahmen von: Werner von Blomberg, Martin Bormann, Dirk Brinkley, Eva Braun, Gretl Braun, Wilhelm Bruckner, Neville Chamberlain, Fräulein Christians, Graf Ciano, Albert Einstein, Hermann Esser, Wilhelm Furtwängler, Hermann Göring, Joseph Goebbels, Rudolf Hess, Reinhard Heydrich, Heinrich Himmler, Adolf Hitler, Heinrich Hoffmann, Fritz Kuhn, Benito Mussolini, Dr. Theodor Morell, Jesse Owens, Joachim von Ribbentrop, Baldur von Schirach, Fräulein Schröder, Franz-Xaver Schwarz, Albert Speer, Julius Streicher, Joseph Thorak, Adolf Wagner, Arno Breker.

Filmseite im Netz: www.absolutmedien.com


Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:


Nazi-Symbole in der deutschen Konsumwelt angelangt


Kultur

Beitrag vom 20.12.2010

Sharon Adler