Berlin lebt auf! Die Fotojournalistin Eva Kemlein (1909-2004). Ausstellung vom 7. Oktober 2016 bis 30. Juni 2017 im Centrum Judaicum - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kultur



AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 08.10.2016


Berlin lebt auf! Die Fotojournalistin Eva Kemlein (1909-2004). Ausstellung vom 7. Oktober 2016 bis 30. Juni 2017 im Centrum Judaicum
Yvonne de Andrés

Eva Kemlein, ein Leben mit der Kamera. Sie arbeitete als Theaterfotografin und als Bildjournalistin für die Berliner Zeitung, deren erste Ausgabe 1945 betitelt war mit "Berlin lebt auf!" Eva Kemleins Aufnahmen erzählen von Überlebenden – denn sie selbst ...




... hatte die Nazizeit als Jüdin versteckt in Berlin überstanden - und sind Gedächtnis der Nachkriegszeit.
Eva Kemlein war eine wichtige Chronistin des Lebens in der Stadt Berlin nach 1945. Während der Nazi-Zeit musste die Jüdin in Berlin untertauchen. Die Kuratorin Anna Fischer berichtet "Sie war drei Jahre im Untergrund, befand sich mit ihrem Lebenspartner Werner Stein als sogenanntes "U Boot" in Berlin im Untergrund. Auch für sie war es ein Aufleben." Das Paar tauchte in einem Keller in der Nymphenburger Straße in Berlin-Schöneberg unter, bis sie von sowjetischen Soldaten befreit wurden.

Eva Kemlein dokumentierte sowohl die Trümmerstadt, als auch das Berliner Theaterleben im Osten und Westen. Über ihren Mann, dem Schauspieler und Autor Werner Stein (1888–1963) war Eva Kemlein eng mit dem Theater verbunden. Fast 60 Jahre lang, bis kurz vor ihrem Tod im August 2004, fotografierte Eva Kemlein das Theaterleben in Berlin. Bertolt Brechts deutsche Uraufführung von "Mutter Courage" mit Helene Weigel im Berliner Ensemble beeindruckt sie sehr und markiert den Beginn von ihren 50 Jahren Arbeit als Theaterfotografin – immer ganz nah dran und immer in Schwarz-Weiß. Es entstehen eindrückliche Aufnahmen von Ernst Busch, Heiner Müller, Helene Weigel, Mary Wigman, Porträts von Tilla Durieux, Bertolt Brecht, Hanns Eisler, Louis Armstrong und vielen anderen Künstler_innen.

"Betrachtet man vor diesem Hintergrund die vier zuvor abgebildeten Fotografien, so sieht man eine lachende Eva Kemlein. Sie sitzt auf dem Bordstein vor dem Haus des ILLUS-Bilderdienstes in der Jägerstraße. Das muss zwischen 1948 und 1950 gewesen sein, und sie hält eine Kamera in der Hand. Sie strahlt und ist voller Lebensfreude, mit ihrer Leica, jener Kamera, die sie gegen den vehementen Widerstand ihres Mannes und unter ungeheurer Gefahr aufbewahrt hat. Allein wegen des Besitzes eines Fotoapparates wäre die Jüdin Eva Kemlein verhaftet worden. Diese Kamera wurde im Mai 1945 für Eva Kemlein entscheidend, um ein freies und selbstbestimmtes Leben führen zu können — die Kamera sollte ihr alles bedeuten" so die Kuratorinnen Anna Fischer und Dr. Chana Schütz.

Berlin hatte sie fest vor ihrer Linse

1950 erhielt sie den Großauftrag vor der Sprengung des Berliner Stadtschloss jeden Winkel des Gebäudes mit der Plattenkamera fotografisch zu dokumentieren. Sie blieb Grenzgängerin und Pendlerin zwischen den Welten: Sie fotografierte an den Bühnen Ost-Berlins und kehrte jeden Abend zurück in ihre Wohnung in die Künstlerkolonie Friedenau.

Zum Monat der Fotografie erinnert das Centrum Judaicum an die Berliner Fotografin Eva Kemlein (1909-2004). Die Ausstellung ist in Kooperation mit der Stiftung Stadtmuseum Berlin, wo sich ihr gesamter künstlerischer Nachlass befindet, entstanden.

Biographisches

Sie wurde als Tochter jüdischer Eltern in Berlin-Charlottenburg geboren und hat fast ihr ganzes Leben hier verbracht. Hier ist sie aufgewachsen, zur Schule gegangen, hier hat sie geheiratet, und ist am 8. August 2004 gestorben. Ihre tiefe Verbundenheit zu ihrer Heimatstadt sollte stets ihre künstlerischen und journalistischen Fotoarbeiten bestimmen. Den Weg dorthin fand Kemlein über den Lette-Verein, wo sie das wissenschaftlich-medizinische Fotografie im Rahmen ihrer Ausbildung zur Medizinisch Technischen Assistentin (1927-1929) erlernte. Im Mai 1945 wurde ihr erstes Foto in der Berliner Zeitung gedruckt, an deren Wiederaufbau sie beteiligt war.1950 dokumentierte sie das Berliner Stadtschloss vor seiner Sprengung.

1994 überließ Eva Kemlein ihr gesamtes fotografisches Archiv, über 300.000 Negative, der Stiftung Stadtmuseum Berlin. 2004 gab es aus diesem Anlass in der Berliner Grundkreditbank eine erste Ausstellung des Stadtmuseums, die Eva Kemlein vor allem als Theaterfotografin würdigte. 2016 wurden ihre Biografie und eine kleine Auswahl ihrer Fotografien im Ephraim Palais präsentiert, als eine von 20 Frauen der Ausstellung "Berlin — Stadt der Frauen". Die von Anna Fischer und Dr. Chana Schütz kuratierte Ausstellung ist sehenswert und zeigt facettenreich die Arbeiten von Eva Kemlein.

7. Oktober 2016 bis 30. Juni 2017
Berlin lebt auf! Die Fotojournalistin Eva Kemlein (1909-2004)

Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum
Oranienburger Straße 28–30
10117 Berlin
Öffnungszeiten:
Mo-Do: 10:00–18:00 Uhr
Fr: 10:00–15:00 Uhr
So: 10:00–18:00 Uhr

Weitere Infos finden Sie unter:

www.centrumjudaicum.de

Begleitband zur Ausstellung, herausgegeben von Anna Fischer (Hg.), Chana Schütz
"Berlin lebt auf!". Die Fotojournalistin Eva Kemlein (1909–2004)
Hentrich & Hentrich Verlag Berlin, Klappenbroschur, 128 Seiten mit 80 Abbildungen
14,90 Euro [D]
Hentrich & Hentrich Verlag Berlin, erschienen 2016
ISBN: 978-3-95565-181-7
www.hentrichhentrich.de


Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Gedenktafel zu Ehren Eva Kemleins am 25. August 2014 eingeweiht
Gewidmet wird sie der 2004 verstorbenen Fotojournalistin als Anerkennung für ihre Werke: 300.000 Negative umfasst das Vermächtnis der Charlottenburgerin. Sie dokumentieren den Wiederaufbau und das Kulturleben von Ost- und Westberlin nach dem Zweiten Weltkrieg sowie ihre Arbeit als Theaterfotografin.


Kultur

Beitrag vom 08.10.2016

Yvonne de Andrés