His & Hers. Ein Dokumentarfilm von Ken Wardrop. Ab 4. Juli 2013 im Kino - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kultur



AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 02.07.2013


His & Hers. Ein Dokumentarfilm von Ken Wardrop. Ab 4. Juli 2013 im Kino
Veronika Siegl

Es sind die Beziehungen zwischen Frauen und Männern, denen der Regisseur aus Irland mit seinem ersten Langspielfilm nachspürt. Quer durch alle Altersabschnitte berichten siebzig Frauen in ...




... Fragmenten von ihren Vätern, Söhnen, Enkelsöhnen, Brüdern, Freunden und Ehemännern. Männer kommen keine zu Wort.

Ein Lebenszyklus

Ein kleines Kind, das geschäftig erzählt, wie sie ihrem Vater bei der Gartenarbeit hilft. Ein Mädchen in ihren "Teens", das aufgeregt von SMS-Partyeinladungen unbekannter Absender_innen schwärmt. Eine junge Frau, die Episoden des ersten gemeinsamen Zusammenwohnens und dem Streit um die Fernbedienung schildert. Eine Mutter, die verrät, ihren Sohn mit einem Zehn-Euro-Schein zum Einschlafen überredet zu haben. Eine Ehefrau, die sich beschwert, dass ihr Mann ihr im Bett heimlich die Wärmflasche klaut. Eine Großmutter, die stolz berichtet, wie der Enkel ihr das Email-Schreiben beibringt. Eine alte Frau, die sich an die langen Spaziergänge mit ihrem verstorbenen Ehemann erinnert.

Zuhören und Beobachten

Es sind nur ganz kurze Einblicke, die Wardrop den Zuseher_innen in die Leben dieser Mädchen und Frauen aus den irischen Midlands gewährt. Einpaar Sätze, eine Anekdote, eine Erinnerung, die mit dem Publikum geteilt wird. Diese "Mosaiksteine" zeugen von Wardrops Vertrautheit mit dem Genre des Kurzfilms: "Ganz am Anfang des Prozesses des Filmemachens, so wie ich Filmemachen verstehe, war das Einzelbild", so der Regisseur. "Meine Kamera zu bewegen war der Fluch meines Lebens, weil ich nicht weiß, wie man sie bewegt." Sie fungiert hier als stille Beobachterin, die ihre voyeuristischen Blicke durch einen offenen Türspalt und ein geschlossenes Fenster wirft. Ihre konstante Einstellung bildet einen Rahmen, eine Bühne. Auf ihr treten die Protagonistinnen fast zufällig auf und ab, während sie sich durch ihre eigenen vier Wände bewegen und Wimperntusche auftragen, Kartoffeln schälen oder frische Wäsche aufhängen.

Die Summe der einzelnen Teile

"The narrative […] mirrors my mum´s love story which is very ordinary, but extraordinary in so many ways, at the heart of it was the really strong bond and a love affair", erzählt Wardrop in einem Interview mit dem feministischen Blog "The F-Word".
Es ist also diese eine Lebens- und Liebensgeschichte, die durch die Verdichtung der Sequenzen nachgezeichnet werden soll. Das Patchwork möchte daher weder eine repräsentative Auswahl darstellen, noch der Diversität der Midlands-Bewohnerinnen gerecht werden, betont der Filmemacher. Vielmehr habe er Personen ausgewählt, die ihn in an seine Mutter und ihr Umfeld erinnerten.

Vielfalt durch Einfalt?

Und dennoch vermittelt der Film den Eindruck, "die" Frau an sich abbilden zu wollen. Zu einheitlich und konventionell erscheinen die Erzählungen der ausnahmslos heterosexuellen, Weißen Protagonistinnen. Was laut der Website zum Film eine "enchanting and affectionate appreciation for woman in all her versatility" sein will, scheint stellenweise weniger eine Anerkennung von Vielfalt als von Einfalt zu sein.

AVIVA-Fazit: Obwohl die Grundidee durchaus ansprechend und "His & Hers" vom künstlerischen und filmischen Aspekt her ein wunderschön gestalteter Film ist, enttäuscht er leider auf der inhaltlichen Ebene. So droht der Fokus auf das Verhältnis der Frauen zu ihren männlichen "Liebsten" ihre Selbstverständnisse auf diese Beziehungen zu reduzieren, während sie gleichzeitig auf den häuslichen Kontext und die damit verbundenen Tätigkeiten festgeschrieben werden.

Zum Regisseur: Ken Wardrop, geboren 1973, wuchs in einer bäuerlichen Gemeinschaft in Irland auf und studierte an der National Film School in Dublin. Er hat sich im Laufe seiner Ausbildung auf das Genre kreativer Dokumentarfilm spezialisiert und thematisiert Schönheit im Alltäglichen, Familie und menschliche Beziehungen.
Seine Kurzfilme "Undressing My Mother" (2004), "Useless Dog" (2004) und "Contagious" (2007) gewannen zahlreiche Auszeichnungen. Gemeinsam mit Andrew Freedman gründete er die Produktionsfirma venom.
(Quelle: http://film.list.co.uk)

His & Hers
Irland 2009
Drehbuch, Regie: Ken Wardrop
Kamera: Kate McCullough, Michael Lavelle
Schnitt: Ken Wardrop
Schnittassistenz: Richard O´Connor
Musik: Denis Clohessy
Recherche: Sheena O´Byrne, Hannah Smolenska
Produzent: Andrew Freedman
Produktionsfirma: Venom Films
Produktionsförderung: The Irish Filmboard
Länge: 80 Minuten
Verleih: déjà vu film, www.dejavu-film.de
Kinostart: 4. Juli 2013
Filmwebsite www.hisandhers.ie

Auszeichnungen:

Dublin International Film Festival 2010 – Audience Award
Galway Film Fleadh 2010 – The Feature Award
Irish Film and Television Award (IFTA) 2010 – Best Feature Documentary
Sundance Film Festival 2010 – Cinematography Award

Weitere Informationen finden Sie unter:

Portrait Ken Wardop auf arte.tv (Kurzschluss- Das Magazin #506) (29.10.2010)

Q&A with Ken Wardrop (The F-Word, 16.03. 2011)

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Mutter & Sohn. Ein Film mit Luminiþa Gheorghiu

Mein Bild von ihm. Lesbische Frauen erzählen von ihren Vätern




Kultur

Beitrag vom 02.07.2013

AVIVA-Redaktion